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Wer wird Verfassungsfeind? Zur „freien“ Deutungshoheit der Verfassungsschutzämter

von Ron Steinke

Das Ritual der jährlichen Verfassungsschutzberichte, die festhalten, welche Bewegung, Organisation oder Partei gerade als „verfassungsfeindlich“ einzuschätzen sei, verleiht der Meinung des jeweiligen Innenministeriums einen Anschein rechtlicher Objektivität. Für alles Weitere sorgen die Reaktionen: Viele orientieren sich völlig unkritisch am Inhalt der Berichte.

Trüge der Inlandsgeheimdienst in Deutschland einen sachlicheren Namen als „Verfassungsschutz“, wir wären wohl um eine Verwirrung ärmer. Zur Arbeit der 17 Verfassungsschutzämter, von denen eines beim Bundes- und ein weiteres bei jedem Landesinnenministerium angesiedelt ist, gehört es, Erkenntnisse über bestimmte politische „Bestrebungen“ im Inland zu sammeln. Der Begriff der „Verfassungsfeindlichkeit“ jedoch, um den herum die Dienste ihre jährlichen politischen Berichte[1] aufbauen, stellt JuristInnen, die versuchen, ihn für einen Moment ernst zu nehmen, schlicht vor ein Rätsel.

Die meisten Bestimmungen des Grundgesetzes können die Parteien im Bundestag mit Zweidrittelmehrheit ihren aktuellen Vorhaben anpassen, die wenigsten sind für die Ewigkeit, vieles in der Verfassung sieht heute anders aus als noch vor zwanzig Jahren – und natürlich darf nicht nur im Parlament über weitere Änderungen diskutiert werden. Einhalten muss man das Strafgesetzbuch. Darin, sich eine bessere Verfassung zu wünschen, ist jeder frei. Wer wird Verfassungsfeind? Zur „freien“ Deutungshoheit der Verfassungsschutzämter weiterlesen