von Anna Busl
„Die Gefahr, die uns droht ist der totale Staat im Gewande der Legalität – die Diktatur hinter der Fassade formaler Demokratie.“ Das sagte das IG Metall Vorstandsmitglied Georg Benz 1967 im Kampf gegen die Notstandsgesetze. Wieviel Fassade ist noch übrig? Das ist die Frage heute.
Sicherlich, keines der Reformvorhaben wird nicht garniert damit, dass dieses für die Stärkung des „Rechtsstaats“ erforderlich wäre. Und je mehr auf der Welt und in diesem Land der schreiende Widerspruch zwischen Bedürfnissen und Mangel, zwischen arm und reich, zwischen Zerstörung der Lebensgrundlagen und Festhalten der wenigen Profiteure am „weiter so“, desto mehr wird „die Notwendigkeit der Stärkung des Rechtsstaates“ durch Stärkung der „Sicherheitsarchitektur“ umso lauter propagiert. Allein ein Blick auf die Neuerungen der letzten Jahre in den Polizeigesetzen der Länder hinterlässt tiefe Risse in der Fassade und – mag man auch noch so oft „erforderlich zur Stärkung des Rechtsstaats“ darüber schreiben – die Risse bleiben, werden tiefer und rütteln an den Grundfesten. Der „Gefährder“ im Polizeirecht: Zwischenbilanz der Polizeigesetzgebung weiterlesen →
Florian Krahmer
Seit einiger Zeit versuchen verschiedene Landespolizeien, Body-Cams als neues Einsatzmittel einzuführen. Hierzu werden in der Regel Pilotprojekte in ausgewählten Polizeirevieren durchgeführt und im Anschluss in einem Bericht ausgewertet. Zwei Beispiele hierfür sind der „Abschlussbericht – Erprobung des präventiven Einsatzes von Körperkameras in der Sächsischen Polizei – Body-Cam“[1] aus dem Jahr 2019[2] und der im August diesen Jahres vorgestellte „Abschlussbericht – Modellversuch Body-Cam“ aus Sachsen-Anhalt[3].
Obwohl beide Evaluationen eine ähnliche Methodik aufweisen und im Grunde zu gleichen Ergebnissen kommen, wurden in der öffentlichen Berichterstattung ihre scheinbar gegensätzlichen Ergebnisse präsentiert. Der sächsische Bericht gilt als Nachweis für die präventive Wirkung von Body-Cams zur Verhinderung von Gewalt gegen Polizeibeamt*innen. Der Bericht aus Sachsen-Anhalt wiederum wurde als Widerlegung dieser präventiven Wirkung dargestellt[4]. Keine präventive Wirkung, gerichtlich nicht verwendungsfähige Aufzeichnungen – Die Ergebnisse des Abschlussberichts Body-Cam in Sachsen-Anhalt weiterlesen →
von Florian Krahmer
Der verfassungsrechtlich gebotene Nachweis der Wirkung sogenannter Bodycams stößt auf erhebliche Probleme – ein Blick auf das Beispiel Sachsen.
2017 war im Bundespolizeigesetz eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Körperkameras (Bodycams) eingefügt worden. Diverse Bundesländer sind diesem Beispiel inzwischen gefolgt, haben entsprechende Regelungen in ihren Polizeigesetzen verankert oder planen das. Begründet wird die Notwendigkeit der Einführung in der Regel mit der präventiven Wirkung der Bodycams, die den Schutz der sie tragenden Polizeibeamt*innen erhöhen sollen. Der Nutzen und die deeskalierende bzw. präventive Wirkung sind jedoch stark umstritten und es existiert trotz verschiedener Studien keine eindeutige Aussage hierüber.[1] Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt – Die Bodycam-Studie der sächsischen Polizeihochschule weiterlesen →
von Florian Krahmer
Sachsen versucht den jahrelangen Personalabbau bei der Polizei mit ehrenamtlichen PolizeihelferInnen und angestellten HilfspolizistInnen zu kompensieren – eine Art Just-in-time-Sicherheitsproduktion.
Seit Jahren sind Bund und Länder entsprechend des Dogmas der „Schwarzen Null“ bestrebt, Personalkosten einzusparen. Eine besondere Belastung für den Staatshaushalt wird dabei im Beamtenstatus gesehen. Bevor PolizeibeamtInnen eingesetzt werden können, müssen sie drei Jahre ausgebildet werden; und sobald sie den Beamtenstatus erreicht haben, sind sie praktisch unkündbar, selbst wenn gesundheitliche Einschränkungen nur noch eine Verwendung für den Innendienst zulassen. Sächsische HilfspolizistInnen – Sicherheitswacht, Wachpolizei, Ortspolizei weiterlesen →
Von Martin Kirsch
Die paramilitärische Aufrüstung der deutschen Polizeien im Namen des Antiterrorismus zeigt Stück für Stück sichtbare Wirkungen im Bereich des Protest Policing. Der „Bürgerkriegseinsatz“ der Spezialkräfte während des G20-Gipfels in Hamburg könnte sich als Wendepunkt entpuppen.
Noch 2014 erschienen die Bilder von militärisch bewaffneten Polizeikräften zur Niederschlagung der Proteste in der US-Kleinstadt Fergusson als erschreckender Anblick, der einer Erklärung bedurfte. Beispielhaft wies die Deutsche Welle damals darauf hin, dass die lokalen Polizeibehörden der USA seit dem Krieg gegen die Drogen in den 1990er Jahren im Rahmen eines Regierungsprogramms mit ausrangierten Waffen und Ausrüstungen des US-Militärs ausgestattet werden.[1] Mit dem Krieg gegen den Terror und der Beendigung des Kriegseinsatzes im Irak wurde das Programm mit dort verwendetem Material aufgestockt. In besagtem Beitrag wurde an kritischen Stimmen – sogar solchen aus den Reihen der US-Regierung – nicht gespart. Eine Bezugnahme zu den hiesigen Verhältnissen fand jedoch nicht statt. Das stellt sich mittlerweile als bedeutende Leerstelle heraus. Militarisierung des Protest Policing: Polizeikrieger als autoritäre Konfliktlösung weiterlesen →
von Fredrik Roggan
Über sechs Jahre waren seit der Erhebung der ersten Verfassungsbeschwerde vergangen, bis das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 20. April 2016 sein Urteil zum BKA-Gesetz verkündete. Die Anti-Terror-Maßnahmen des BKA fanden also während eines langen Zeitraums auf der Basis teilweise verfassungswidriger Regelungen statt. Die Entscheidung versteht sich als Grundsatzentscheidung in Sachen Polizeirecht.
Mit Gesetz vom 25. Dezember 2008 hatte das BKA die Aufgabe der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus einschließlich entsprechender Befugnisse erhalten.[1] Das Gesetz war sowohl im Grundsätzlichen wie auch im Detail umstritten und wurde mit mehreren Verfassungsbeschwerden angegriffen.[2] Enzyklopädie des Polizeirechts: Das Urteil des Verfassungsgerichts zum BKA-Gesetz weiterlesen →
von Fredrik Roggan
Verfassungsschutzbehörden unterliegen nicht dem Legalitätsprinzip. Sie haben zudem jahrzehntelange Erfahrung im Auskundschaften ganzer Szenen und verfügen über umfängliche Befugnisse und geheimdienstliche Instrumentarien. Das alles spricht nach Ansicht einiger Landesgesetzgeber dafür, die Dienste auch mit der Beobachtung der „Organisierten Kriminalität“ (kurz: OK) zu betrauen.
Inzwischen haben vier Bundesländer ihre Verfassungsschutzbehörden mit der Beobachtung der OK beauftragt. Bayern machte bereits 1994 den Anfang. Nachdem in der Folge andere Bundesländer auf die in Bayern gemachten Erfahrungen warteten, zogen Hessen, Thüringen, Sachsen und das Saarland ab Ende der 90er Jahre nach. 1997 legte das Bayerische Innenministerium einen als „Bilanz nach drei Jahren“ bezeichneten Bericht vor. Darin präsentiert das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Beispiele seiner angeblich erfolgreichen Arbeit und erläutert die rechtlichen Hintergründe – aus seiner ganz eigenen Sicht. So habe man u.a. mehrere Rauschgifthändler erkannt, die später verurteilt wurden. Der Geheimdienst habe zudem verschiedentlich Hinweise auf Autoschiebereien und Waffenhandel erhalten. In die „Erfolgsbilanz“ aufgenommen wurde auch die Festnahme eines Bankräubers, obgleich überhaupt kein Zusammenhang mit OK-verdächtigen Straftaten erkennbar ist.[1] Tatsächlich bedeuten die neuen Aufgaben eine Abkehr von rechtsstaatlicher Strafverfolgung. Sie stellen eine Verschmelzung von geheimdienstlicher und polizeilicher Aufgabenerfüllung dar. Mit Schlapphüten gegen die Mafia – OK-Beobachtung durch den Verfassungsschutz weiterlesen →
von Otto Diederichs
In Sachsen möchte man sich in Sachen ‚Innere Sicherheit‘ auch von seinen Patenländern Bayern und Baden-Württemberg nichts vormachen lassen. Das dortige Polizeigesetz, nach seiner Zurückweisung durch das sächsische Verfassungsgericht, derzeit in der innenministeriellen Überarbeitung, gilt als eines der schärfsten in der Bundesrepublik. Die sächsische Polizei lebt dementsprechend in starkem Maße von dem Nimbus, Verbrechen besonders entschieden zu bekämpfen. Allem Anschein nach reicht es offenbar nicht, den Landeskindern ein hinreichendes Sicherheitsgefühl zu vermitteln. In Dresden plant man daher, im Freistaat nach bayerischem Vorbild eine ‚Sächsische Sicherheitswacht‘ ins Leben zu rufen.
In Bayern existiert eine solche Sicherheitswacht bereits seit drei Jahren. Am Neujahrsmorgen 1994 trat dort ein ‚Sicherheitswachterprobungsgesetz‘ (SEG) in Kraft, das zunächst bis Ende 1996 befristet, am 19.12.96 in ein auf Dauer angelegtes Gesetz umgewandelt wurde. Das nun geplante ‚Sächsische Sicherheitswachterprobungsgesetz‘ (SächsSWEG) lehnt sich nicht nur in seinem Titel erkennbar an das bayerische SEG an. Legt man die beiden Gesetze nebeneinander, so zeigt sich, daß den Autoren des SächsSWEG das SEG des Nachbarlandes unübersehbar als Vorlage diente. Eine Sicherheitswacht für Sachsen: Politischer Taschenspielertrick nach bayerischem Vorbild weiterlesen →
Seit 1978 Berichte, Analysen, Nachrichten zu den Themen Polizei, Geheimdienste, Politik „Innerer Sicherheit“ und BürgerInnenrechte.