von Michèle Winkler
Zehntausende Menschen haben 2018 in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und weiteren Bundesländern gegen Polizeigesetzverschärfungen protestiert. Kann also zusätzlich zur Gesetzeswelle auch von einer Protestwelle gesprochen werden? Was wurde erreicht, was blieb auf der Strecke, was hallt bis heute nach?
Heiner Busch schrieb im August 2018, das einzig Positive an den aktuellen Verschärfungen vieler Landespolizeigesetze sei der breite Widerstand, der sich erstmals seit Jahrzehnten gegenüber derartigen Verschärfungen rege.[1] Zu diesem Zeitpunkt waren in München und Düsseldorf jeweils Zehntausende auf die Straßen gegangen, weitere Proteste waren angekündigt. Interessant ist, dass es gegen die Gesetzesverschärfungen zunächst einmal gar keinen spürbaren Widerspruch gab. Am 1. August 2017 trat das bayerische Gesetz „zur Überwachung gefährlicher Personen“, kurz „Gefährdergesetz“, in Kraft. Kernpunkt des Gesetzes war die Möglichkeit, als „drohende Gefahr“ eingestufte Personen dauerhaft ohne Strafprozess in Gewahrsam zu nehmen. Bis auf Heribert Prantl, der am 20. Juli in der Süddeutschen Zeitung seinem Unmut Luft machte, das Gesetz mit Guantanamo verglich und von einer „Schande für den Rechtsstaat sprach“, wurde dies weitgehend unbeachtet durchgewunken.[2] Auch als vier Monate später ein ähnliches Gesetz im vom Grünen Kretschmann regierten Baden-Württemberg verabschiedet wurde, war Kritik allein medial zu vernehmen. Das als Anti-Terror-Paket verkleidete Gesetz ging laut Kretschmann „an die Grenze des verfassungsrechtlich Machbaren“.[3] Wie im sogenannte bayerischen Gefährdergesetz und vielen folgenden Landespolizeigesetzen wurden unter dem Vorwand vermeintlicher Terrorbekämpfung weitreichende Präventivbefugnisse für die Polizei auch in Bezug auf die Allgemeinkriminalität geschaffen. Ist da etwas in Bewegung? Eine Bilanz der Proteste gegen verschärfte Polizeigesetze weiterlesen →
Im Rahmen eines Forschungsprojekts beschäftigt sich die Forschungsgruppe „Computergestützte Sozio- und Diskurslinguistik“ (CoSoDi) an der Universität Siegen aus einer sprachwissenschaftlichen Perspektive mit dem sprachlich-diskursiven Umgang mit ‚Risiken‘ und ‚Gefahren‘ im Kontext staatlicher Gefahrenabwehr. Da hierbei vor allem auch der behördliche Fachdiskurs empirisch untersucht werden soll, sucht die Forschungsgruppe nach sprachlichen Rohdaten aus dem juristischen bzw. polizeilichen Arbeitskontext der Gefahrenabwehr und ist dankbar für entsprechende Hinweise.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich sicherheitsbehördliche Maßnahmen im Namen der Gefahrenabwehr immer mehr in das sogenannte Gefahrenvorfeld verlagert. D.h. sie setzen vermehrt zu einem Zeitpunkt an, an dem zwar (noch) keine „konkrete Gefahr“ im Sinne des Gefahrenabwehrrechts vorliegt, die Sicherheitsbehörden aber dennoch von einer potentiellen Bedrohung ausgehen. „Gefährder“ und „Gefahren“: Forschungsprojekt sucht Unterstützung weiterlesen →
Der schweizerische Bundesrat, die Regierung des Landes, will sowohl das strafrechtliche Anti-Terror-Instrumentarium als auch die präventiv-polizeilichen Befugnisse gegen „Gefährder“ ausbauen. Das gerade neu gewählte Parlament wird sich im nächsten Jahr mit zwei umfangreichen Gesetzespaketen auseinandersetzen müssen.
Anders als in Deutschland ist das Repertoire an Anti-Terror-Gesetzen in der Schweiz bisher vergleichsweise klein. 2003 ratifizierte das Parlament zwar das UN-Übereinkommen gegen Terrorismusfinanzierung und fügte einen entsprechenden Artikel ins Strafgesetzbuch (Art. 260 quinquies StGB) ein, aber eine generelle Terrorismusstrafnorm lehnte es ebenso ab wie eine dem deutschen § 129a (terroristische Vereinigung) vergleichbare Strafbestimmung. Dicke Pakete – Anti-Terror-Gesetzgebung in der Schweiz weiterlesen →
von Helmut Pollähne
Der Bundestag berät derzeit einen Gesetzentwurf, der die elektronischen Aufenthaltsüberwachung (eAÜ) „extremistischer Gefährder“ ermöglichen soll. Doch bereits jetzt bestehen weitgehende Möglichkeiten des eAÜ-Einsatzes gegen „Islamisten“, die – wie ein zweifelhaftes Staatsschutz-Manöver in Bremen zeigt – befürchten lassen, dass die elektronische Extremismus-Kontrolle zum Kontroll-Extremismus zu werden droht.
Ende 2011 wurde der bundesweit in den Medien als „Emir von G.“ bekannt gewordene Reneé Marc S. vom Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) München zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Da er durchgängig auf freiem Fuß war, trat er die Strafe als sog. Selbststeller im September 2012 im Bremer Justizvollzug an. Die vollzugsinternen Beurteilungen waren zunächst positiv. Auch der Verdacht, er habe sich im Vollzug als islamistischer Missionar betätigt und Mitgefangene für den Jihad geworben, hatte sich trotz intensiver Ermittlungen und vorübergehender Sicherheitsverlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt (JVA) nicht bestätigt.[1] Zwischenzeitlich hatte sich aber der sicherheitspolitische Wind gedreht: Die SalafistInnen waren in den Fokus des Staatschutzes geraten, auch in Bremen. Der mit entsprechenden „Erkenntnissen“ bestückte Justizvollzug und die Bundesanwaltschaft traten einer – ursprünglich ins Auge gefassten – vorzeitigen Entlassung auf Bewährung entgegen: Reneé Marc S. wurde erst zum „gefährlichen Emir“ und dann zum sog. Vollverbüßer gemacht. Vom Probeballon zum Gesetzentwurf: Elektronische Aufenthaltsüberwachung gegen Salafisten? weiterlesen →
von Heiner Busch
Der LKW-Angriff auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche am 19. Dezember 2016 war die perfekte Vorlage für Forderungen nach noch schärferen Anti-Terror-Maßnahmen. Mit zwölf Toten und 55 Verletzten war er das schwerste einzelne Attentat in Deutschland seit jenem auf das Oktoberfest 1980.
„Je mehr über Anis Amri bekannt wird, desto absurder wirkt, dass er nicht abgeschoben wurde“, wunderte sich die „Welt“ bereits zwei Tage nach dem Anschlag. Und der „Spiegel“ fragte drei Wochen später, warum die Sicherheitsbehörden „den für eine Abschiebung vorgemerkten Radikalen nicht aus dem Verkehr zogen“.[1] Formulierungen wie diese finden sich seit Ende Dezember in den deutschen Medien zu Hauf. Fast verdächtig: Die unerträgliche Leichtigkeit der Gesetzgebung weiterlesen →
Rechtlich gesehen, kümmerte sich die Polizei traditionell um zwei Gruppen von Personen: Die einen waren Verdächtige oder gar Beschuldigte einer Straftat. Die Ermittlungsbefugnisse, die den Strafverfolgungsbehörden und damit auch der Polizei dabei zur Verfügung stehen, fanden und finden sich in der Strafprozessordnung. Die andere Gruppe waren die Störer, die man heute meist etwas weniger martialisch als Verantwortliche einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit (und Ordnung) bezeichnet, wobei es sich in aller Regel um eine «konkrete Gefahr» handeln musste, also um «eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung eines polizeilichen Schutzguts führt.» Was die Polizei gegen Störer unternehmen konnte, stand in den Polizeigesetzen. Die Bindung polizeilichen Handelns an den (konkreten) Verdacht und die konkrete Gefahr sollte verhindern, dass die Polizei x-beliebige Personen ins Visier nehmen könnte. Kommentar: Wie der «Gefährder» sich ins Recht schleicht weiterlesen →
Die Europäische Union will den Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung von 2002 erneuern. Ein entsprechender Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates spricht von einer „zunehmenden Sicherheitsbedrohung durch Terrorismus“, weshalb die Rechtsvorschriften zur Verfolgung von Straftaten mit „terroristischem Hintergrund“ innerhalb der EU vereinheitlicht werden sollen.
Wir sprachen hierzu mit Elif Eralp, der Referentin für Rechtspolitik in der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Das Interview wurde per E-Mail geführt. Neue EU-Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung: Weitere Verpolizeilichung des Strafrechts weiterlesen →
von Mark Holzberger
Bei der Bekämpfung der unerlaubten Einwanderung bzw. „terrorverdächtiger“ AusländerInnen arbeiten deutsche Polizeibehörden und Geheimdienste inzwischen eng zusammen.
Den ersten Schritt in diese Richtung unternahm das Bayerische Staatsministerium des Inneren (StMI), als es im Herbst 2004 die Arbeitsgruppe BIRGiT ins Leben rief.[1] BIRGiT steht für „beschleunigte Identifizierung und Rückführung von Gefährdern aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus/Extremismus“. Die Arbeitsgruppe trifft sich etwa alle zwei Wochen. Neben dem StMI gehören ihr zunächst die Ausländerbehörden der Städte München und Nürnberg sowie der Bezirksregierungen Oberbayern und Mittelfranken an. Bei denen hatte das StMI im Juli 2005 eigens die Zuständigkeiten für Ausweisungsverfügungen und Überwachungsmaßnahmen (§ 54a Aufenthaltsgesetz, AufenthG) konzentriert.[2] Weil „die meisten Gefährderfälle einen Asylbezug haben“, ist auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beteiligt.[3] Mit von der Partie sind ferner VertreterInnen des Landeskriminalamts (LKA) und des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV). Anlassbezogen werden auch die Landesanwaltschaft sowie andere bayerische Behörden und Kommunen hinzugezogen.
Hauptziel der AG BIRGiT ist es, sog. Gefährder unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten zur Ausreise aus Deutschland zu bewegen. Wenn eine Ausreise rechtlich (noch) nicht möglich sein sollte, so will die Arbeitsgruppe den Handlungsspielraum der betroffenen Person so weit wie möglich einschränken. … was nicht zusammen gehört – Polizei und Geheimdienste kooperieren gegen Ausländer weiterlesen →
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