von Dirk Burczyk, Christian Meyer, Matthias Monroy und Stephanie Schmidt
Um die unkontrollierte Migration aufzuspüren und zu verhindern, setzt die Europäische Union (EU) zunehmend Hochtechnologien ein. Diese lassen sich in sensor- und datenbasierte Anwendungen unterscheiden. Mit der Technologisierung der europäischen Außengrenzen gehen kommerzielle Interessen der Anbieter einher. Es gibt aber auch Ansätze von Nichtregierungsorganisationen, die verwendeten Beobachtungstechnologien im Sinne einer Sousveillance einzusetzen.
Weil man sich seit Jahren nicht auf Verteilungsquoten einigen kann, haben die 27 Regierungen beim EU-Migrationsgipfel Anfang Februar 2023 lieber andere Gemeinsamkeiten betont.[1] Ziele der Union seien demnach gestärkte Außengrenzen und Maßnahmen gegen irreguläre Migration. In den vergangenen Jahren setzt die EU dabei auch zunehmend auf Technologien zur Überwachung und Kontrolle flüchtender Menschen an ihren Außengrenzen. Konzentrierte sich dies bis zum Ende des Kalten Kriegs noch vor allem auf den Schutz des Territoriums, rückte seither der Umgang mit sowie die Verhinderung von Migration in den Fokus grenzpolitischer Interessen.[2] Aufgrund der Befürchtungen, dass sich nach dem Kalten Krieg vor allem Migrationsbewegungen als Auslöser für Krisen zeigen könnten, wurde ein Bedarf an umfassenden Regeln und Normen behauptet, die in dem 1993 (auf Bitte der UN-Kommission für Global Governance und der Regierung Schwedens) von Bimal Gosh entwickelten Konzept des „Migrationsmanagement“ mündeten.[3] Neben den bekannten staatlichen Akteur*innen, wie die EU-Grenzagentur Frontex und ihren Entwicklungen von Grenztechnologien (wie bspw. das seit 2014 aktive Überwachungssystem EUROSUR), zeigen sich auch Industrie und zivile Forschungseinrichtungen im Bereich der Europäischen Migrations- und Grenzpolitik aktiv. So wurden etwa Drohnen, ursprünglich genutzt für die Schifffahrtskontrolle und im Kontext von Umweltüberwachung, letztlich auch im Bereich des Grenzschutzes und zur Überwachung von Migrationsbewegungen eingesetzt.[4]Mit Technologien gegen Migration: Die Sensoren und Daten der Festung Europa weiterlesen →
Britische Behörden nehmen im Bereich Justiz und Inneres weiterhin an vielen EU-Instrumenten teil. Die Kooperation geht teilweise sogar weiter als mit den Schengen-Staaten Norwegen, Island oder der Schweiz. Der Ausstieg aus Europol und dem Schengener Informationssystem könnte die Geheimdienste stärken.
Mit dem Austritt aus der Europäischen Union hat Großbritannien ab dem 1. Januar 2021 den „Europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ verlassen, das Land wurde aus EU-Sicht zu einem Drittstaat. Damit endete auch die Kooperation im Rahmen des Schengener Abkommens. Die Regierung in London hat somit ihren Platz als eine der wichtigsten Partner*innen in der EU-Sicherheitsarchitektur verloren. Besonders schwer wiegen dürfte das Ende der Teilnahme am Schengener Informationssystem (SIS II). 2019 hatten britische Polizeien und Geheimdienste dort rund 37.000 Personen- und 4,5 Millionen Sachfahndungen gespeichert.[1] Aus Großbritannien stammte auch ein beträchtlicher Teil der verdeckten Artikel-36-Ausschreibungen, mit denen die Polizei und der Inlandsgeheimdienst die Bewegungen gesuchter Personen EU-weit nachvollziehen können. 2019 lagen die britischen Ausschreibungen mit 17.109 Personen nach Frankreich und Spanien an dritter Stelle. Privilegierter Drittstaat nach dem Brexit: Die EU-Sicherheitszusammenarbeit mit Großbritannien weiterlesen →
Das „Watch the Med Alarmphone“ bietet seit vier Jahren eine Telefonhotline rund um die Uhr für Geflüchtete in Seenot auf dem Mittelmeer.[1] Wir erlebten in unserer täglichen Arbeit den Anstieg der Überfahrten in der Ägäis von der Türkei auf die griechischen Inseln 2015/16, die dramatischen Überfahrten im zentralen Mittelmeer 2017 und die darauf folgende Kriminalisierung der zivilen Rettungsflotte sowie den Anstieg der Fluchten von den Stränden Marokkos nach Spanien im Jahr 2018.
Die EU verzahnt ihre Strukturen der inneren und äußeren Sicherheit. Der Kampf gegen Terrorismus und Schleuser soll den Datenaustausch zwischen Militär und Strafverfolgung rechtfertigen.
Am 22. März 2017 trafen sich die AußenministerInnen der Anti-ISIS-Koalition in Washington: Die US-geführte „globale Koalition“, der fast alle EU-Mitgliedstaaten sowie die EU selbst angehören, feierte nicht nur die militärischen Erfolge gegen den „Islamischen Staat“. Nebenbei vereinbarte man den Austausch von Informationen und Beweismitteln aus Kampfgebieten („battlefield information and evidence“) zwischen Militärs und Strafverfolgungsbehörden. Dabei geht es unter anderem um Informationen, die in Syrien oder dem Irak bei „ausländischen Kämpfern“ sichergestellt werden. In der Abschlusserklärung ermutigten die MinisterInnen die beteiligten Staaten und Organisationen, „kollektive Strafverfolgungskanäle wie Interpol und Europol“ zu nutzen.[1]Daten aus Kampfgebieten – Europol startet eine „Kriminalitätsinformationszelle“ weiterlesen →
Eine Vielzahl von Institutionen und Gremien der EU befasst sich mit der Überwachung digitaler Kommunikation. Im Mittelpunkt stehen derzeit die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten, der Zugriff auf Daten in der Cloud und das Umgehen von Verschlüsselung. Viele der neuen Maßnahmen tragen die Handschrift des Bundeskriminalamts.
Das 2015 von Bundestag und Bundesrat beschlossene Gesetz zur „Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ sollte die überarbeitete EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung und Nutzung von Telekommunikationsdaten umsetzen.[1] Ab dem 1. Juli 2017 wären Telefon- und Internetdienstleister verpflichtet gewesen, Verkehrsdaten ihrer KundInnen für zehn Wochen zu speichern. Mittlerweile hat der Europäische Gerichtshof die Richtlinie gekippt, da sie gegen die Grundrechtecharta der Union verstößt. Grenzüberschreitendes Abhören – Die „Verfügbarkeit von Daten“ in der Europäischen Union weiterlesen →
Die Staats- und Regierungschefs, der Europäische Rat, geben die strategischen Leitlinien vor. Die Kommission macht daraus Vorschläge für Richtlinien und Verordnungen, die vom Rat und vom Europäischen Parlament beraten werden. Diese formelle Arbeitsteilung zwischen den Institutionen der EU verrät nur wenig über die Machtverhältnisse und Treibriemen der Anti-Terror-Politik.
Als Exekutive der EU legt die Kommission Vorschläge für Verordnungen und Richtlinien vor, beaufsichtigt die EU-Agenturen – hier insbesondere Europol, Eurojust, Frontex und die Agentur für das Management von IT-Großsystemen –, vergibt Gelder an die Mitgliedstaaten aus den Fonds für die Innere Sicherheit, fördert Sicherheitsforschung u.v.m. Zuständig für den „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“, also die frühere Dritte Säule der EU, ist in erster Linie die Generaldirektion für Migration, Inneres und Bürgerschaft (GD HOME) unter dem Kommissar Dimitris Avramopoulos. Wer macht den Anti-Terrorismus? – Zur Rechtsetzungsgewalt der Europäischen Union weiterlesen →
Nicht nur die USA, sondern auch die EU und ihre Mitgliedstaaten investieren große Summen in Programme zur Erforschung neuer Sicherheitstechnologien. Staat und Wirtschaft müssten angesichts drohender Gefahren zusammenarbeiten, lautet die Parole.
Dass der Begriff „militärisch-industrieller Komplex“ sich in der politischen Diskussion festsetzen konnte, verdanken wir einem Weltkriegsgeneral, der in der Hochphase des Kalten Kriegs das Amt des US-Präsidenten bekleidete. In seiner Abschiedsrede im Januar 1961 warnte Dwight D. Eisenhower vor dieser „Verbindung eines riesigen militärischen Establishments und einer großen Rüstungsindustrie“, deren Einfluss auf allen politischen Ebenen spürbar sei.[1] Zur Abschreckung potenzieller Aggressoren seien die USA gezwungen gewesen, nicht nur einen großen militärischen Apparat, sondern auch eine „permanente Waffenindustrie“ aufzubauen und diese auch nach dem Weltkrieg aufrecht zu erhalten. Aber: „Wir dürfen es nie zulassen, dass die Macht dieser Kombination unsere Freiheiten oder unsere demokratischen Prozesse gefährdet.“ Die Hoffnung Eisenhowers auf eine Balance zwischen dem militärisch-industriellen Komplex und „unseren friedliebenden Methoden und Zielen“ wurde nicht erfüllt – das Wettrüsten ging ungebremst weiter. Eine besondere Wirtschaftsförderung – Vom Militärisch- zum Sicherheitsindustriellen Komplex? weiterlesen →
Freizügigkeit für türkische ArbeiterInnen soll es in der EU nur geben, wenn die Türkei zuvor die Kriterien des Schengen-Acquis erfüllt. Um dem EU-Beitritt näher zu kommen, versucht die Türkei, ihre Grenzen im Südosten abzudichten.
Im Oktober 2005 nahm die Türkei Beitrittsverhandlungen mit der EU auf. Seit etwa derselben Zeit ist in den Zeitungen des Landes zu lesen, dass die BürgerInnen demnächst neue Pässe mit einem Chip erhalten werden, auf dem ihre biometrischen Daten digital gespeichert sind.[1] Die Behörden erklären, dass der neue e-Pass besser gegen Fälschung, Verfälschung und Missbrauch gesichert sei. Sie behaupten aber auch, dass die BürgerInnen der Türkei mit diesem Dokument „einfacher“ in EU-Länder reisen könnten. Virtuelle Mauern im Südosten – Die Türkei auf dem Weg nach Schengen weiterlesen →
Die Anschläge vom 11. September 2001 haben eine neue Dynamik der transatlantischen Zusammenarbeit ausgelöst. Ob es um Datenaustausch oder Zusammenarbeit der Dienste geht – klar ist, dass diese Entwicklung noch lange nicht zu Ende ist. Zahlreiche Vorhaben zielen auf eine enge Kooperation, die traditionelle Grenzen überschreitet.
In welche Richtung die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden in Europa und den USA geht, zeigt der im Juni 2008 vorgelegte Bericht der „Informellen Hochrangigen Beratenden Gruppe zur Zukunft der Europäischen Innenpolitik“, der so genannten Future Group.[1] Auf dessen Grundlage wollen die Staats- und Regierungschefs der EU 2009 eine gemeinsame Agenda innenpolitischer Ziele für die nächsten fünf Jahre festlegen und die EU-Kommission will einen Aktionsplan ausarbeiten. Über den großen Teich – „Transatlantische Kooperation“ gegen Bürgerrechte weiterlesen →
Die EU und der UN-Sicherheitsrat haben die Verfahren zur Zusammenstellung ihrer Schwarzen Listen reformiert. Rechtsschutz für die Betroffenen gibt es auch weiterhin nicht.
Die Beschlüsse des Rates der EU, die Konten des in den Niederlanden wohnhaften Professors José Maria Sison und der ebenfalls dort ansässigen Stiftung al-Aqsa einzufrieren, waren rechtswidrig. Das entschied das Europäische Gericht erster Instanz (EuGI) am 11. Juli 2007. Bereits im Dezember 2006 hatte es der Klage der iranischen Volksmudjahedin gegen ihre Aufnahme in die EU-“Terrorliste“ stattgegeben.[1]
Die Gründe waren in allen drei Fällen dieselben: Grundrechte und Verfahrensgarantien seien verletzt worden. Insbesondere hätten die Betroffenen keinerlei Begründungen für die verhängten Sanktionen erhalten. Sie seien somit nicht in der Lage gewesen, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankerten Rechte auf Verteidigung und auf einen fairen Prozess wahrzunehmen. Reformierte Terrorlisten – Instrumente der Willkür weiterlesen →
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