Archiv der Kategorie: Meldungen Inland

Die Inlandsmeldungen unserer Hefte sind schon vor Druck des Heftes online verfügbar.

100 Tage Bundespolizeibeauftragter

Marie-Theres Piening

In den letzten zehn Jahren wurden in einigen Bundesländern Landespolizeibeauftragtenstellen geschaffen; seit dem 14. März 2024 hat auch der Deutsche Bundestag in der Person Uli Grötsch seinen ersten Bundespolizeibeauftragten. Uli Grötsch, ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter und zuvor über 20 Jahre als Polizeibeamter in Bayern tätig, legte Ende Juni einen „100 Tage“-Bericht vor, der erste Einblicke in seine Arbeit gibt.[1]

Im Bericht wird daran erinnert, dass eine „unabhängige[n] Stelle[n] zur Untersuchung von Beschwerden gegen mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der Polizei“ von Menschenrechtsorganisationen sowie mit dem Themenfeld Polizeigewalt und Rassismus befassten Wissenschaftler*innen bereits seit den 80er Jahren gefordert wird. Weiter wird die „gewichtige Aufgabe“ der Stelle betont, „strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen bei den Polizeien des Bundes aufzudecken und zu untersuchen“ (S. 3). Als „allererste Aufgabe“ nennt der Bericht den Aufbau von Vertrauen – in der Bevölkerung und der Polizei. Racial Profiling dürfe es nicht geben. Ferner gehe es darum, „Bürger:innen und Polizei näher zusammenzubringen und signifikant für ein partnerschaftliches Verhältnis von Polizei und Gesellschaft einzutreten“ (S. 4). 100 Tage Bundespolizeibeauftragter weiterlesen

BKA-Gesetz teilweise verfassungswidrig

Verschiedene Vorschriften des Gesetzes über das Bundeskriminalamt (BKAG) verstoßen gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 1. Oktober 2024 (Az. 1 BvR 1160/19) festgestellt und den Bundestag verpflichtet, bis spätestens 31. Juli 2025 nachzubessern. Die Verfassungsbeschwerde wurde von Rechtsanwält*innen, Aktivist*innen und Fußballfans erhoben und von der NGO Gesellschaft für Freiheitsrechte koordiniert. Im Urteil bemängelte das Gericht die Befugnis des BKA zur heimlichen Überwachung der Kontaktpersonen von Tatverdächtigen im Bereich des Terrorismus sowie die Verarbeitung bereits erhobener personenbezogener Daten in den Datenbanken von Bund und Ländern. BKA-Gesetz teilweise verfassungswidrig weiterlesen

Teile des „Sicherheitspakets“ seit Ende Oktober in Kraft

Am 31. Oktober 2024, nur 52 Tage nachdem das Kabinett den Entwurf beschlossen hatte, trat mit dem Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems der erste Teil des „Sicherheitspakets“ in Kraft,[1] mit dem die Ampel-Regierung nach den tödlichen Messerangriffen von Mannheim und Solingen harte Kante zeigen wollte. Der zweite Teil des Pakets, das Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung, war hingegen am 18. Oktober im Bundesrat abgelehnt worden.

Mit dem neuen Gesetz wurde, erstens, das Bundesverfassungsschutzgesetz geändert, um den Geheimdiensten die Überwachung von Finanzströmen zu erleichtern. Nachdem die Innenministerkonferenz (IMK) bereits 2020 eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Maßnahmen zur Aufklärung von Einnahmequellen rechtsextremer Organisationen eingesetzt hatte,[2] war ein entsprechender Prüfauftrag in den Ampel-Koalitionsvertrag aufgenommen worden.[3] Ohne Aufsehen wurde nun § 8a BVerfSchG geändert, um „besondere Auskunftsverlangen“ der Dienste zu Bestands- und Transaktionsdaten bei Banken und anderen Finanzunternehmen auch dann zu ermöglichen, wenn keine Gewaltaffinität der beobachteten „Bestrebungen“ erkennbar ist. Bewegten sich die von den G10-Kommissionen zu genehmigenden Auskunftsverlangen bislang im niedrigen zweistelligen Bereich pro Jahr,[4] ist nun ein deutliches Wachstum zu erwarten. Dabei ist absehbar, dass nicht nur Rechtsextreme ins Visier geraten. Teile des „Sicherheitspakets“ seit Ende Oktober in Kraft weiterlesen

HVSG teilweise verfassungswidrig

Durch Beschluss vom 17. Juli 2024 (Az.: 1 BvR 2133/22) entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), dass Teile des Hessischen Landesverfassungsschutzgesetzes (HVSG) nicht vereinbar mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Per­sönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG) sind. Laut Beschluss sieht das Gesetz zum Teil zu weitreichende Befugnisse des hessischen Landesamts für Verfassungsschutz zur Erhebung und Übermittlung von Daten vor, für die keine hinreichenden „Eingriffs- und Über­mittlungsschwellen“ normiert wurden. Im Einzelnen betrifft dies die Ortung von Handys, die Abfrage von Reisedaten, den Einsatz verdeckter Mitarbeiter*innen sowie die Übermittlung von Daten an Strafverfol­gungs­behörden und sonstige inländische öffentliche Stellen.

Die Befugnis zur Ortung von Mobilfunkendgeräten ließ eine längerfristige Nachverfolgung zu, die die Erstellung eines Bewegungsprofils ermöglichte. Ein solches Bewegungsprofil konnte auch durch die Abfrage von Reisedaten erstellt werden. Eine zeitliche Beschränkung der Anordnung sah das Gesetz nicht vor, so konnten „… sämtliche zum Zeitpunkt der Anordnung noch gespeicherten Reisebewegungen sowie alle künftigen im möglichen Anordnungszeitraum liegenden oder auch nur gebuchten Reisebewegungen abgefragt werden.“ HVSG teilweise verfassungswidrig weiterlesen

TKÜ-Bilanz für 2022

Im Frühjahr 2024 veröffentlichte das Bundesamt für Justiz neue Zahlen zu elektronischen Überwachungsmaßnahmen.[1] Demnach wurden 2022 15.451 Abhörmaßnahmen gegen Telefonanschlüsse angeordnet, davon 13.035 Erstanordnungen (insgesamt 1.774 weniger Anordnungen als im Vorjahr). Mehr als ein Drittel der Anordnungen ergingen in Ermittlungen gegen mutmaßliche Drogenhändler*innen, weitere Schwerpunkte waren Betrugskriminalität (2.230), Mord und Totschlag (1.858), bandenmäßige Begehung von Diebstahl und Einbrüchen (1.452) sowie Staatsschutzdelikte (1.052). In 49 Fällen (2021: 24) erfolgte die Abhörmaßnahme durch einen Eingriff in ein informationstechnisches System, als so genannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung. Die Zahl der Anordnungen lag mit 94 (2021: 35) etwa doppelt so hoch. Ein Hinweis darauf, dass den Ermittler*innen die Durchführung technisch nicht immer möglich ist. TKÜ-Bilanz für 2022 weiterlesen

Zahl erfasster Flugpassagierdaten steigt weiter an

In Deutschland werden immer mehr Daten von Flugpassagier*innen erfasst, die in die EU einreisen oder innereuropäische Flugverbindungen nutzen. Das ist das Ergebnis einer Kleinen Anfrage[1] der Gruppe Die Linke im Bundestag. Wurden 2022 noch 424,3 Mio. Daten­­sätze an das Fluggastdaten-Informationssystem übermittelt, waren es 2023 453,7 Mio. Datensätze. Betroffen waren 125,7 Mio. Fluggäste. Die Fluggastdaten (Passenger Name Records, PNR) werden mit den Daten aus der Fahndungsdatenbank INPOL und dem Grenzfahndungsdatenbestand, dem Schengener Informationssystem, dem EU-Visa-Informationssystem und der Datei über gestohlene und verlorene Reisedokumente (Stolen & Lost Travel Documents, SLTD) von Interpol abgeglichen. Festgestellt wurden 377.363 „technische“ Treffer, also Überein­stimmungen bei einzelnen Datenpunkten (2022: 441.608). Zahl erfasster Flugpassagierdaten steigt weiter an weiterlesen

Abschiebungen zu jedem Preis

Im Jahr 2023 wurden 16.430 Personen aus Deutschland abgeschoben, davon 13.477 auf dem Luftweg. Normale Linienflüge sind dabei nur noch in knapp der Hälfte der Fälle das Standardmittel, um Menschen außer Landes zu schaffen. Für die andere Hälfte organisierte die Bundespolizei 198 sogenannte Sammelchartermaßnahmen mit 6.447 rechtlich Ausreise-pflichtigen.[1] Hierbei wurden Menschen aus bis zu acht Bundesländern in einem Flug zusammengeführt. 50 der Flüge steuerten zwei Zielstaaten an, zum Beispiel erst Nordmazedonien und dann Serbien. Durch beide Maßnahmen sollen Abschiebungen insgesamt effizienter werden. Abschiebungen zu jedem Preis weiterlesen

Bundesweit mobile Gesichtserkennung aus Sachsen

Die Polizei in Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Baden-Württemberg nutzt verdeckte Kameras am Straßenrand, um vorbeifahrende Verdächtige zu observieren.[1] Damit werden die Bundesländer in Amtshilfe aus Sachsen in Verfahren wegen bandenmäßiger Eigentumskriminalität unterstützt. Soweit bekannt stehen die Anlagen dabei an sächsischen Straßen. Die Polizei will dadurch etwa ermitteln, welche Fahrzeuge Personen von Interesse benutzen. Die Aufnahmen werden dazu mit Referenzdatenbanken abgeglichen, die Bilder aus erkennungsdienstlichen Maßnahmen enthalten.

Die Verwendung einer solchen Observationstechnik war im April aus Berlin bekannt geworden. Anfang Juni teilte die Polizeidirektion (PD) Hannover dazu weitere Informationen mit. Demnach handelt es sich um eine mobile Variante des „Personen-Identifikations-Systems“ (PerIS), das die Polizeidirektion Görlitz mit der Firma OptoPrecision aus Bremen entwickelt hat. Mit fest installierten Kamerasäulen nimmt das PerIS an der Grenze zu Polen Gesichtsbilder und Kennzeichen auf. Bundesweit mobile Gesichtserkennung aus Sachsen weiterlesen

Gesetz für Bundespolizeibeauftragten beschlossen

Acht Bundesländer verfügen über Landespolizeibeauftragte, nun zieht der Bund nach. Zum 5. März 2024 ist das „Gesetz über die Polizeibeauftragte oder den Polizeibeauftragten des Bundes beim Deutschen Bundestag“ (PolBeauftrG) in Kraft getreten.[1] Faktisch wird es ein Bundespolizeibeauftragter, denn dass der bisherige SPD-Bundestagsabgeordnete Uli Grötsch erster Amtsinhaber würde, stand bereits lange fest.

Der Beauftragte soll künftig strukturelle Mängel und individuelles Fehlverhalten bei Bundespolizei, Bundeskriminalamt und der Polizei beim Deutschen Bundestag untersuchen (§ 1), nicht jedoch bei den ebenfalls mit polizeiähnlichen Befugnissen ausgestatteten Vollzugsbehörden der Bundeszollverwaltung. Gesetz für Bundespolizeibeauftragten beschlossen weiterlesen

Übermittlungsvorschriften an die Polizei neu geregelt

Mit dem „Gesetz zum ersten Teil der Reform des Nachrichtendienstrechts“ hat die Koalition von SPD, Grünen und FDP im Bund Ende 2023 ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 2354/13 v. 28.9.2022) zu den Übermittlungsvorschriften der Dienste an die Polizei umgesetzt.[1] Die Richter hatten die vorherigen Regelungen als zu unbestimmt und unverhältnismäßig gewertet. Erhebungsschwellen der Polizei drohten, durch geheimdienstliche Ausforschung und anschließende Übermittlung unterlaufen zu werden.

Das Gesetzgebungsverfahren verlief einigermaßen holprig. Die Koalition hatte noch umfangreiche Änderungen am ursprünglichen Entwurf aus dem Bundesinnenministerium vornehmen müssen. In einer gewohnt umständlichen Formulierung hat nun auch die aus dem Polizeirecht bereits bekannte „drohende Gefahr“ ihren Weg in das Nachrichtendienstrecht gefunden. Wenn „Tatsachen im Einzelfall auf die Entstehung einer konkreten Gefahr hinweisen“, darf der Verfassungsschutz seine Erkenntnisse an die Polizei übermitteln (§ 19 Abs. 2 BVerfSchG), bei unmittelbarer Gefahr ist er dazu nun verpflichtet. Übermittlungsvorschriften an die Polizei neu geregelt weiterlesen