Archiv der Kategorie: CILIP 115

Gefährlicher Ort: Stadt (April 2018)

Umstrittener öffentlicher Raum: Zur neueren Rechtsentwicklung

von Wolfgang Hecker

Die Themen Betteln, Sitzen/Lagern/Nächtigen und Alkoholkonsum im öffentlichen Raum sind seit langem Gegenstand der öffentlichen Debatte und der Rechtsprechung. Immer wieder kommt es zu neuen Vorstößen in der Rechtspolitik und in gerichtlichen Verfahren.

Seit 1980 wurde eine intensive Debatte zu der Frage geführt, ob das „Modell New York“ Vorbild für die Bundesrepublik Deutschland sein soll. Kern dieser Debatte waren Bestrebungen, den öffentlichen Raum von missliebigen Personen wie bettelnden Menschen und DrogenkonsumentInnen zu säubern, was auch in Teilen der Politik in Deutschland deutlich Anklang fand. Ein Anstrich von kriminalwissenschaftlichem Vorgehen wurde diesem Konzept durch eine bestimmte Interpretation der „broken-windows“-Theorie verliehen, nach der bereits kleinste Ordnungsverstöße an Brennpunkten den Nährboden für kriminelle Handlungen größeren Ausmaßes bilden. Umstrittener öffentlicher Raum: Zur neueren Rechtsentwicklung weiterlesen

Versicherheitlichte Städte: Wer gehört zur Stadt?

von Bernd Belina

Städte gelten in der Moderne als Orte von Unsicherheit und Kriminalität. Hier legitimiert die Angst vor den „gefährlichen Klassen“ und den „Fremden“ polizeiliche und andere Sicherheitsmaßnahmen, die regelmäßig BürgerInnenrechte und Lebensqualität zahlloser Menschen im Dienste der Vorurteile und Privilegien einer vermeintlichen „normalen Mehrheit“ einschränken.

Werden im Namen der „Sicherheit“ Grundrechte beschnitten und soziale Gerechtigkeit abgebaut, spricht die kritische Wissenschaft von „Versicherheitlichung“. Neben den Staatsgrenzen sind die (Groß-)Städte diejenigen Orte, an denen Versicherheitlichungen ausprobiert und ins Werk gesetzt, aber auch kritisiert werden. Versicherheitlichte Städte: Wer gehört zur Stadt? weiterlesen

Redaktionsmitteilung

Die Stadt als „gefährlicher Ort“, ihr öffentlicher Raum als Objekt der Kontrolle für die Polizei, aber auch für ihre privaten Helfer – wer in seiner bzw. ihrer Sammlung oder auf unserer Homepage durch die bisher erschienenen Ausgaben von Bürgerrechte & Polizei/CILIP blättert, wird feststellen, dass diese Themen nicht neu sind.

In Nr. 51 (1995) nahm Wolf-Dieter Narr den Mythos der Großstadt als „Brutstätte des Verbrechens“ einschließlich der neuen Lobgesänge auf die „Wiederentdeckung der Nachbarschaft“ als Instrument der Prävention auseinander. Auch in Deutschland begann nun die Debatte um „Community Policing“, mit der wir uns in Nr. 64 (1999) genauer befassten. Präventionsräte schossen wie Pilze aus dem Boden. Von der neuen „Bürgerbeteiligung“ an der Polizeiarbeit blieben allerdings just jene BürgerInnen ausgeschlossen, die ihre Interessen nicht so wohlorganisiert vertreten können wie lokale GeschäftsinhaberInnen und die für gewöhnlich Objekte polizeilicher Maßnahmen waren und sind: Jugendliche, Wohnungslose, SexarbeiterInnen, MigrantInnen … Redaktionsmitteilung weiterlesen

Gesetzentwürfe zur Interoperabilität vorgelegt

Am 12. Dezember 2017, nur 20 Monate nachdem sie ihre Mitteilung für „solidere und intelligentere Informationssysteme“ vorgelegt hatte, präsentierte die EU-Kommission ihre Vorschläge für zwei Verordnungen zur Umsetzung der Pläne, die großen IT-Systeme interoperabel zu machen.[1] Die Gesetzentwürfe, die sich streckenweise wie technische Lastenhefte lesen, konkretisieren das Programm, dessen Blaupause die hochrangige Arbeitsgruppe für IT-Systeme und Interoperabilität im Mai 2016 entworfen hatte. Entwickelt werden soll ein System der Systeme, bestehend aus vier Komponenten: Gesetzentwürfe zur Interoperabilität vorgelegt weiterlesen

Der G20-Sonderausschuss der Hamburger Bürgerschaft

Christiane Schneider

Er trägt zwar wenig zur Aufklärung bei, ist aber dennoch nicht ganz umsonst: Sechs Mal hat der parlamentarische Sonderausschuss „Gewalttätige Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel in Hamburg“ bisher getagt.[1] Auf den Sitzungen am 5. April und 3. Mai. stehen erstmals die Protesttage selbst auf der Tagesordnung: die Auflösung der Welcome-to-Hell-Demonstration am 6. Juli 2017, der Aktionstag und die Krawalle im Schanzenviertel am 7. Juli sowie die Abschlussdemonstration. Dass der Sonderausschuss das Geschehen auch nur annähernd aufklärt, vor allem die Einsatzstrategie der Polizei, die vielen offenen Fragen im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen und die zahlreichen Grundrechtsverletzungen, ist nach bisheriger Erfahrung nicht zu erwarten: Kritische Fragen von Abgeordneten werden nicht, nichtssagend oder auch wahrheitswidrig beantwortet. Nach wie vor sind viele Aktenstücke geschwärzt oder entnommen. Trotzdem hält der ziemlich rechtlose Sonderausschuss nicht, was sich der Senat und vor allem die SPD davon versprochen haben. Bisher jedenfalls haben sie die Deutungshoheit über das Geschehen nicht gewinnen können. Der G20-Sonderausschuss der Hamburger Bürgerschaft weiterlesen

Druck zur Entfernung von Internetinhalten

Seit ihrer Einrichtung hat die bei Europol angesiedelte „Meldestelle für Internetinhalte“ 45.598 Postings auf mehr als 80 Online-Plattformen geprüft und in den meisten Fällen für eine Entfernung an Internetanbieter gemeldet.[1] Mit einer Erfolgsquote von 85 Prozent seien die Firmen laut dem Anti-Terrorismusbeauftragten dem Wunsch nachgekommen. Normalerweise erfolgt die Übermittlung von Ersuchen der Polizeibehörden an die Internetdienstleister über eigens eingerichtete Kanäle, die Europol im Portal „Shaping Internet Research Investigations Unified System“ (SIRIUS) auflistet. Google und YouTube haben außerdem ein „Trusted Flagger Program“ gestartet, in dem private Organisationen und polizeiliche Koordinierungsstellen für Internetkriminalität als vertrauenswürdige Hinweisgeber eingestuft werden. Ihre Ersuchen werden vorrangig behandelt. Aus Deutschland sind beispielsweise das Bundeskriminalamt und einige Landeskriminalämter am „Trusted Flagger Program“ beteiligt.[2] Eine hiermit verknüpfte Datenbank enthält einen Überblick von gemeldeten Inhalten sowie die diesbezügliche Entscheidung von Google und YouTube über eine Entfernung. Die Inhalte selbst sind dort aber nicht gespeichert. Druck zur Entfernung von Internetinhalten weiterlesen

Drastischer Anstieg verdeckter Fahndungen

Anfang 2018 waren 129.412 Personen nach Art. 36 des Ratsbeschlusses über das Schengener Informationssystem (SIS II) zur „verdeckten“ oder „gezielten“ Kontrolle ausgeschrieben. Die Zahl der unter dieser Kategorie im SIS gespeicherten Personen hat in den letzten Jahren rapide zugenommen (Anfang 2017: 96.108; 2016: 69.520; 2015: 46.347; 2014: 41.050). Werden die Betroffenen im Schengen-Raum an­ge­troffen, erfolgt eine Meldung an die ausschreibende Behörde. Übermit­telt werden Ort, Zeit und Anlass der Kontrolle, Reiseweg und -ziel, das benutzte Transportmittel, Begleitpersonen sowie mitgeführ­te Sachen. Von einer „verdeckten Kontrolle“ sollen die Betroffenen nichts erfahren, bei der „gezielten Kontrolle“ werden sie durchsucht. Zum Jahreswechsel gab es zudem 45.815 Sachfahndungsausschreibungen (Fahr­zeuge, Wasser- und Luftfahrzeuge, Container) nach Art. 36.[1] Drastischer Anstieg verdeckter Fahndungen weiterlesen

Grenzüberwachung in Tunesien

Das deutsche Verteidigungsministerium unterstützt Tunesien beim Ausbau eines elektronischen Grenzüberwachungssystems. Eine bereits errichtete Sperranlage wird nun entlang der Grenze zu Libyen bis zur Grenzstadt Borj AI Khadra in der Sahara ausgedehnt.[1] Adressat der „Ertüchtigungsinitiative“ ist das tunesische Militär. Das Gesamtprojekt wird zusammen mit der US-Regierung geplant, mit der Durchführung ist die US-Behörde „Defense Threat Reduction Agency“ (DTRA) beauftragt. Die aus Deutschland übernommene Finanzhilfe wird vage mit einem „zweistelligen Millionenbetrag“ angegeben. Grenzüberwachung in Tunesien weiterlesen

Mehr Gesichtserkennung beim BKA

Das Bundeskriminalamt (BKA) weitet seine Fähigkeiten zur biometrischen Gesichtserkennung aus. Hierzu wird das zentrale Gesichtserkennungssystem (GES), mit dem das BKA seit 2008 seine Datenbestände durchsuchen kann, auf seine Leistungsfähigkeit geprüft.[1] Anschließend will das Amt entscheiden, ob ein neues Gesichtserkennungssystem beschafft oder das bestehende 2D-System „ertüchtigt werden muss“. Das GES durchsucht das Informationssystem INPOL-Zentral, wo derzeit über 4 Mio. durchsuchbare Fotos eingestellt sind. Für 2017 meldete das Bundesinnenministerium 26.879 Recherchen (2016: 23.064, 2015: 16.773). Bis 2015 hatte sich das BKA an dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt „GES-3D“ beteiligt.[2] Für die Identifizierung von Personen aus Fo­to- und Videodaten wird dabei auch die Ohrenerkennung eingebunden. Die nun angestrebte Untersuchung dürfte den Umstieg auf ein solches 3D-System zum Ziel haben. Mehr Gesichtserkennung beim BKA weiterlesen

Abhörzentrale des Ostens kann mit Aufbau beginnen

Nachdem im letzten Herbst die Parlamente Berlins, Brandenburgs, Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens den Staatsvertrag zur Einrichtung eines „Gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrums der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung“ (GKDZ) ratifiziert ha­ben,[1] ist im Januar das GKDZ als „Anstalt des öffentlichen Rechts“ for­mell gegründet worden. Der von den Ländervertretern gebildete Aufsichts­rat wird im nächsten Schritt einen Beratervertrag zur organisatorisch-technischen Feinplanung vergeben, dann folgt die Ausschreibung für Aufstellung und Betrieb der Anlage. In erster Linie sollen dort ausgelei­tete Daten aus TK-Überwachungen gespeichert werden.  Abhörzentrale des Ostens kann mit Aufbau beginnen weiterlesen