09.12.: Rolf Klemens Wagner frei: Der wegen seiner Beteiligung an der Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer zu lebenslanger Haft verurteilte Ex-RAF-Mann Wagner wird nach 24 Jahren begnadigt und aus der Haft entlassen.
11.12.: Todesschüsse in Rheurdt/Krefeld: Zwei wegen eines Nachbarschaftsstreits alarmierte Polizisten erschießen einen 32-jährigen Drogenabhängigen. Nach anfänglicher Weigerung zu öffnen, habe der Mann abrupt die Tür aufgerissen und die Beamten mit einem Messer bedroht. Nach ersten Angaben haben diese insgesamt zehnmal geschossen. Chronologie weiterlesen →
Von dem englischen Premierminister Benjamin Disreali stammt die Erkenntnis, nach der es drei Arten von Lügen gibt: einfache Lügen, heimtückische Lügen und Statistiken. Einerseits liegt der Reiz von Statistiken darin, dass sie einen Sachverhalt in Zahlen ausdrücken, ihm damit feste Konturen verleihen und ihn damit greifbar und – wortwörtlich und im übertragenen Sinne – berechenbar machen. Jede Statistik kommt dem Bedürfnis nach Klarheit und Vereinfachung entgegen. Tabellen, Prozentwerte und Diagramme versprechen eine verlässliche Basis für Diskussionen und Aktionen. Aber in aller Regel sind die Zahlenwerke das Gegenteil von dem, was sie behaupten zu sein: Sie bilden keine „objektive Realität“ ab, sondern sind das Resultat interessengeleiteter Sammlung und Zusammenstellung – getreu dem andern geflügelten Wort, nach dem man keiner Statistik trauen soll, die man nicht selbst gefälscht hat. Literatur weiterlesen →
Polizeiübergriffe sind auch in der norwegischen Provinz Bergen eine Realität. Weil sie diese Realität untersucht haben, wurden zwei Forscher öffentlich als Schwindler abgetan, im Wissenschaftsbetrieb ausgegrenzt und mit Klagen überzogen. Der Autor war 21 Jahre lang mit diesem Fall befasst.
„Das Justizministerium nutzt die Gelegenheit, um Nordhus und Vogt seine Anerkennung für ihre umfassende Arbeit und ihr aufreibendes und uneigennütziges Engagement auszudrücken, mit dem sie den Vermutungen über illegitime polizeiliche Gewaltausübung in Bergen nachgegangen sind.“ So heißt es in einer Presseerklärung, die das norwegische Justizministerium im September 2002 herausgab. Der in dem Kommuniqué umschriebene Vergleich setzte einen Schlussstrich unter eine Affäre, die sich über mehr als zwei Jahrzehnte hingezogen hatte.[1]Polizeigewalt in Bergen – „Unendliche Geschichte“ – norwegische Version weiterlesen →
Das Urteil des Bundesverfassungsgericht zum Großen Lauschangriff gehe „ein wenig an der Rechtspraxis vorbei“, beklagt der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK).[1] Tatsächlich hat das Gericht nach sechs Jahren „Praxis“ jene Voraussetzungen eingefordert, um deren Formulierung sich der Gesetzgeber 1998 gedrückt hat.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 betrifft im Kern den Schutz der Intimsphäre vor heimlichen akustischen Ausforschungen innerhalb von Wohnungen.[2] Das Gericht definiert dabei einen Kernbereich des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG), der dem staatlichen Zugriff schlechthin entzogen ist. Selbst schwerwiegende Belange der Allgemeinheit könnten Eingriffe in diesen engeren Bereich der Privatsphäre nicht rechtfertigen. Unerhört?! Große Lauschangriffe nach dem Verfassungsgerichtsurteil weiterlesen →
Am 10. Mai 2001 beschloss die Innenministerkonferenz (IMK) ein neues Meldesystem für politisch motivierte Straftaten. Damit hoffte man, der anhaltenden Kritik an der offiziellen Zählung rechtsextremistischer Gewalttaten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Drei Jahre danach zeigt sich, dass alte Probleme nach wie vor ungelöst sind.
Groß war die Aufregung bei Polizei und Innenministerien über die Dokumentation, die der Berliner „Tagesspiegel“ und die „Frankfurter Rundschau“ am 14. September 2000 vorlegten: Seit 1990, so rechneten die beiden Zeitungen vor, waren im vereinten Deutschland 93 Todesopfer rechter Gewalt zu beklagen. Bundesinnenminister Otto Schily dagegen hatte bis zum Erscheinen dieser Chronik an einer Zahl von 24 Toten festgehalten.[1] Wenige Wochen später räumte das Bundeskriminalamt (BKA) ein, die Regelungen zur polizeilichen Erfassung derartiger Delikte seien „überkommen“, die diesbezüglichen Lagebilder „nicht nutzbar“.[2]War da was? Reform der polizeilichen Erfassung rechter Straftaten weiterlesen →
Evaluationen sind spätestens seit der PISA-Studie in aller Munde. Der Bereich der „Inneren Sicherheit“ ist davon nicht mehr ausgenommen. Ob allerdings eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Wirkungen und Nebenwirkungen polizeilicher Arbeit seitens der Exekutive und Legislative gewollt ist, darf angesichts erster „Evaluations“-Versuche bezweifelt werden.
Im Gesetzgebungsverfahren vom Sommer 1998 war es äußerst umstritten, den Bundesgrenzschutz (BGS) ohne Verdacht jede Person in Zügen, auf Bahnhöfen und Flughäfen jenseits des 30-km-Grenzgebietes kontrollieren zu lassen. Bundesrat und Bundestags-Innenausschuss hatten daher durchgesetzt, diese Befugnis zunächst bis zum 31.12.2003 zu befristen, und darum gebeten, dem Bundestag vor Ablauf eine Evaluation vorzulegen. Ein solcher „Erfahrungsbericht“ ist im September vergangenen Jahres übergeben worden.[1] Unter den Bundesländern hat allein Sachsen seine seit dem 1.7.1999 geltende polizeirechtliche Befugnis zu ereignis- und verdachtsunabhängigen Kontrollen verbindlich mit einer jährlichen Berichtspflicht versehen[2] und die Ermächtigung bis 31.5.2004 befristet. Für die Jahre 1999-2003 liegen vier Berichte vor.[3]„Evaluation“ der Schleierfahndung – Eine Auswertung polizeilicher (Selbst-)Erfahrungsberichte weiterlesen →
Das Vorurteil vom „kriminellen Ausländer“ erschwert die notwendige Integration von Migranten. Problematisch präsentierte und falsch interpretierte Daten der Polizeistatistik haben diese Situation mit verschuldet.
„Die in Deutschland lebenden Ausländer begehen häufiger Straftaten als Deutsche“. Diese Aussage wurde 1996 von 50 Prozent der Ostdeutschen und 36 Prozent der Westdeutschen ausdrücklich bejaht.[1] Sie stehen mit diesem Vorurteil nicht alleine da: Das Zerrbild des bedrohlichen und d.h. vor allem des „kriminellen Ausländers“ bedienen auch große Teile der Medien – und zwar nicht nur in reißerischen Stories über Einzelfälle: In einer um Ausgewogenheit bemühten Titelgeschichte („Zu viele Ausländer?“) kam etwa der „Spiegel“ 1998 zu dem Schluss: „Zwar geht die Ausländerkriminalität minimal zurück – 1996 waren noch 28,3 Prozent aller Tatverdächtigen keine Deutschen, im vergangenen Jahr waren das 27,9 Prozent. Doch stellen Ausländer eben nur insgesamt rund 9 Prozent der Bevölkerung … Ausländer sind im Schnitt krimineller, da hilft kein Schönreden.“[2] In einem Einwanderungsland – und als ein solches wird Deutschland inzwischen auch von den politischen Eliten angesehen – sind solche Meinungen ein ernsthaftes Hindernis bei der Integration der Migranten, lösen unnötige Ängste aus und schüren fremdenfeindliche Ressentiments. „Nichtdeutsche“ in der Polizeistatistik – Kriminelle Ausländer oder gesetzestreue Arbeitsmigranten? weiterlesen →
Als Ronald Schill vor seinem Amtsantritt als Hamburger Innensenator versprach, „Wir werden die Kriminalität innerhalb der ersten 100 Tage unserer Amtszeit halbieren!“, war das nur das schillerndste Beispiel für den politischen Irrglauben, die Kriminalitätsrate ließe sich mittels verstärkter Polizeipräsenz und harter Strafen senken.
Selbst wenn man unterstellen wollte, mehr Polizei auf den Straßen wirke präventiv: Gemessen wird die Kriminalitätsrate mittels polizeilicher „Kriminalstatistiken“ und dort werden genau jene Straftaten gezählt, die der Polizei bekannt werden. Mit erhöhter Polizeiaktivität steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Straftaten bekannt werden, daher bedeutet mehr Polizei statistisch gesehen im Regelfall mehr Kriminalität. Tatsächlich ist die amtliche Kriminalitätsziffer in Hamburg 2003 leicht gestiegen. Der Schill-Effekt war also vorhersehbar. Regieren mit Angst – Warum die Kriminalstatistik gerne falsch interpretiert wird weiterlesen →
Wer zu DDR-Zeiten sich kundig machen wollte über kriminalstatistische Daten im ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaat, suchte nahezu vergeblich.
Zwar gab es in den statistischen Jahrbüchern der DDR seit den 50er Jahren zunächst eine Rubrik „Rechtsprechung“ und danach eine mit dem Titel „Kriminalität und Zivilprozesssachen“, die dann Mitte der 60er Jahre in „Rechtspflege“ umbenannt wurde. Doch blieben die Angaben so hoch aggregiert, dass ihr Aussagewert gegen Null ging. Veröffentlicht wurden fast ausschließlich Insgesamt-Angaben über festgestellte Straftaten und verurteilte Personen sowie Angaben zu wenigen ausgewählten Deliktgruppen aus den Bereichen der Gewalt-, Eigentums- und Sexualkriminalität und Verkehrsdelikte. Seit 1978 waren es immerhin 25 Deliktgruppen, zu denen Jahreszahlen vorgelegt wurden. Zeitweilig, in den Jahrbüchern 1973-1977, hatte man selbst die Veröffentlichung dieser aggregierten Daten eingestellt. Sonstige statistische Fachserien und Publikationen – vergleichbar etwa der Rechtspflege- oder der polizeilichen Kriminalstatistik der BRD – gab es nicht. DDR-Kriminalstatistik – Immer mit Blick Richtung Westen weiterlesen →
Lagebilder, so die offizielle Sicht, bilden die „Voraussetzung für zielgerichtetes polizeiliches Handeln“. Sie dienten „dem Erkennen, der Analyse und der Prognose polizeirelevanter Ereignisse und Entwicklungen“, und sie bildeten die Basis jeder polizeilichen Strategie.[1] Liest man polizeiliche Lagebilder, so sind allerdings Zweifel angebracht, ob sie diesen Ansprüchen gerecht werden.
Lagebilder sind nach der Definition der „Polizeidienstvorschrift (PDV) 100“ die zu einem bestimmten Zeitpunkt zusammengeführten, polizeilich bedeutsamen Erkenntnisse. Hinsichtlich ihrer Zweckbestimmung werden drei Arten von Lagebildern unterschieden: Sie können erstens unter taktischen Gesichtspunkten erstellt werden, sofern sie zur polizeilichen Bewältigung eines bestimmten Ereignisses beitragen sollen. Derartige Lagebilder sind bei jedem polizeilichen Einsatz denkbar, dessen zeitlicher Ablauf eine „Informationsphase“ erlaubt – von der aktuellen Geiselnahme bis zu Fußballspielen oder Demonstrationen. Während sich diese taktische Dimension auf einen konkreten Einzelfall bezieht und ihr nur ein begrenzter Zeithorizont zugrunde liegt, dienen zweitens strategisch angelegte Lagebilder der Entwicklung mittel- und langfristiger Ziele und Strategien. Sie gelten nicht einem singulären Ereignis, sondern einem dauerhaften oder immer wiederkehrenden Phänomen. Berichte, die der Kontrolle (oder Bekämpfung) bestimmter Deliktsbereiche gelten, fallen in diese Kategorie. Polizeiliche Lagebilder – Professionelle Polizeiarbeit oder Augenwischerei? weiterlesen →
Seit 1978 Berichte, Analysen, Nachrichten zu den Themen Polizei, Geheimdienste, Politik „Innerer Sicherheit“ und BürgerInnenrechte.