Bericht des Bundesministers des Innern über die Einrichtung einer „Koordinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung“ (KGT) beim Bundeskriminalamt

VS – Nur für den Dienstgebrauch

Ausgangslage/Entstehung der KGT

Anläßlich der Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 03. Mai 1991 in Bonn wurden unter Berücksichtigung der Beratungsergebnisse der AG Kripo, der Leiter der Behörden für Verfassungsschutz sowie der Arbeitskreise II und IV der IMK folgende Grundsätze für die Terrorismusbekämpfung beschlossen:

1. Die andauernde terroristische Bedrohung, insbesondere durch die „RAF“, erfordert eine weitere Koordinierung, Konzentration und Bündelung der Bekämpfungsmaßnahmen in Gemeinsamkeit von Bund und Ländern sowie die konsequente bundesweite Durchführung aller Maßnahmen.

2. Unter Berücksichtigung insbesondere des IMK-Beschlusses vom 15.12.1990 zur Terrorismusbekämpfung und aktueller Notwendigkeiten zu dessen Fortentwicklung sind die Bekämpfungsmaßnahmen an folgenden tragenden Grundsätzen auszurichten:

– Koordinierter Einsatz der Bekämpfungsmaßnahmen von Bund und Ländern nach einheitlich hohem Standard unter Einbeziehung aller Sicherheitsbehörden sowie der Justiz.

– Intensivierung des Informationsaustausches zwischen Polizei und Verfas-sungsschutz auf Bundes- und Landesebene unter voller Ausschöpfung des rechtlich Zulässigen.

– Zielgerichtete Durchführung von Maßnahmen auf der Grundlage fortlaufend zu aktualisierender und nach einheitlichen Kriterien zu erstellender Landes- und Bundeslagebilder unter möglichst umfassender Verwertung der Erkenntnisse sämtlicher Sicherheitsbehörden sowie des Justizbereichs. Die Lagebilder müssen besonders auch gezielt Erkenntnisdefizite verdeutlichen und darüberhinaus mögliche Ansatzpunkte für taktische Maßnahmen aufzeigen.

– Vollständige Erfassung, zügige – ggf. koordinierte – Auswertung und schnelle Weiterleitung an alle zuständigen Sicherheitsbehörden sämtlicher in Verbindung mit den Inhaftierten terroristischen Häftlingen anfallender zur Bekämpfung des Terrorismus relevanter Informationen.

– Volle Ausschöpfung des rechtlichen Rahmens zur Terrorismusbekämpfung, insbe-sondere auch bei der Durchführung verdeckter und systematischer Fahndungsmaß-nahmen, des Konzeptes 106 sowie bei Maßnahmen zur Aufklärung des weiteren ter-roristischen Umfeldes, auch unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel durch den Verfassungsschutz.

Zusammenstellung/Aufgabenstellung

Für die sich aus vorstehendem IMK-Beschluß ergebende Notwendigkeit einer weiteren Koordination der Bekämpfungsmaßnahmen wurde auf Bundesebene eine „Koor-dinierungsgruppe Terrorismusbekämpfung“ beim Bundeskriminalamt einge-richtet.

Der Koordinierungsgruppe gehören neben dem federführenden BKA als weitere ständige Mitglieder das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Generalbundes-anwalt an.

Die Innenministerkonferenz hat in ihrer Sitzung vom 03. Mai 1991 beschlossen, daß auch die Bundesländer an den Beratungen der Koordinierungsgruppe ständig beteiligt werden sollen.

Der vorliegende Entwurf zur Einrichtung der Koordinierungsgruppe sieht deshalb auch eine entsprechende Länderbeteiligung vor.

Vorrangige Gegenstände der Koordinierung sind:

– der umfassende und zügige Informationsaustausch zwischen Polizei, Verfassungsschutz und Justiz in Bund und Ländern,

– die systematische Auswertung aller Informationen,

– die Bewertung des vom BKA zu erstellenden Bundeslagebildes,

– die Festlegung regionaler, personen- und strukturbezogener Schwerpunkte der Terrorismusbekämpfung,

– die Abstimmung von polizeilichen und nachrichtendienstlichen Maßnahmen sowie

– die Heranziehung und Bündelung der polizeilichen und nachrichtendienstlichen Ressourcen.

Im Vordergrund der Arbeitsplanung steht zunächst die Erhebung und Festlegung des Personenkreises, an den Maßnahmen nach dem Fahndungskonzept 106 ausgerichtet werden. Er soll nicht zu groß bemessen sein, um eine möglichst intensive Durchführung der Maßnahmen zu ermöglichen. Die hierzu notwendigen Abstimmungen, einschließlich erforderlicher Absprachen über einen ggf. erforderlichen Kräfteausgleich werden in der Koordinierungsgruppe erfolgen.

Des weiteren wird die Koordinierungsgruppe alsbald Gespräche mit Vertretern der großen Wirtschaftsunternehmen aufnehmen, deren Repräsentanten und Einrichtungen als durch die RAF besonders gefährdet gelten müssen. In den Beratungen sollen alle Möglichkeiten der Zusammenarbeit im präventiven Bereich geprüft werden.

Bedeutung der KGT

Da die Koordinierungsgruppe auf der Grundlage gemeinsamer, einstimmiger Be-schlußfassung der Innenminister/-senatoren von Bund und Ländern tätig wird, wird ihren Vorschlägen, ungeachtet der bestehenden gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen, eine gewisse Verbindlichkeit zukommen. Dies läßt erwarten, daß die bisher praktizierten und ggf. fortzuschreibenden Bekämp-fungsinstrumente künftig weitestgehend bundeseinheitlich nach festgelegtem Mindeststandard eingesetzt werden. Insoweit handelt es sich bei der Einrichtung der Koordinierungsgruppe um einen über die bisher praktizierten Formen der Zusammenarbeit hinausgehenden Ansatz.

Die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Verfassungsschutz und Justiz sowohl auf Bundes- und Landesebene als auch zwischen Bund und Ländern wird verdichtet. Dies kann natürlich nur auf der Grundlage des geltenden Rechts erfolgen, dessen Rahmen jedoch voll ausgeschöpft werden soll, wobei in der praktischen Umsetzung es nun darauf ankommt, daß alle beteiligten Stellen von Bund und Ländern sich tatsächlich in diese Kooperation einbringen.

Stand: 18.06.1991

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