Die Grenzen des strafrechtlichen Umweltschutzes: Vom Schein einer verstärkten Rechtssicherheit

Von Wolf-Dieter Narr

Umweltgefährdungen haben nicht abgenommen. Im Gegenteil. Die in den 70er Jahren gewachsene öffentliche Aufmerksamkeit aber glücklicherweise ebenso wenig. Niemand kann es sich offen sicht­bar erlauben, Umweltprobleme – von der Luftverschmutzung über das Waldsterben bis hin zur Abfallbeseitigung – ausdrücklich zu mißachten. Auch hier gilt jedoch: Zwischen dem besorgten Reden über ‚die Umwelt‘ und den Forderungen, was alles geschehen müsse, daß diese lebensfördernd erhalten bzw. wiederhergestellt werde, und den entsprechenden Taten klafft ein riesiger Spalt. Und nicht nur dies. Nach wie vor, auf manchen Gebieten mehr denn je, wird ‚die Umwelt‘ bewußt und gewollt oder fahrlässig und unachtsam gestört und zerstört.

Die menschlichen Lebensbedingungen werden gegenwärtig und vor allem für zukünftige Generationen verschlechtert. Dem ‚Prinzip der Verantwortung‘ wird lokal, national und international zuwidergehandelt. Das Geschäft auf Kosten der Umwelt blüht. Etwa im Bereich schwer zu beseitigender Abfälle werden dem Geschäft beträchtliche, von den Wegen allen vernünftigen Um­weltschutzes hart abweichende Chancen eröffnet.

Regulierungsgespinste

Die ökonomische Durchdringung aller gesellschaftlichen Bereiche und die weltweite Expansion der wachstumsgerichteten Ökonomie hat staatliche – in manchen, vor allem internationalen Bereichen auch nichtstaatliche – Regulie­rungen aller Art enorm zunehmen lassen. Das Problem der Verrechtlichung und der damit eng gekoppelten Bürokratisierung ist deswegen seinerseits zu einem Thema geworden. Das national, europäisch und international ge­knüpfte Netz von Regulierungen aller Art birgt neben seinen beabsichtigten ‚positiven‘ Leistungen selbst eine Reihe von Gefahren in sich. Die Vor­schriften nehmen so zu, daß nur noch Spezialisten ihr Gewebe durchschauen und nur entsprechend ausgestattete Organisationen sich in diesem Geflecht ihren Interessen gemäß bewegen können. Die Komplexität der Regulierungs­gespinste dient nur dem Schein nach einer verstärkten Rechtssicherheit. Tatsächlich nehmen mit ihrer wachsenden Komplexität auch die Spielräume der Interpretation zu.

Letztere können indes nur professionell ausgestattete Institutionen wahrneh­men – vor allem öffentliche und private Bürokratien. Die wachsende Regulie­rungsdichte, bei der sich häufig unterschiedliche Komplexe überschneiden, birgt die zusätzliche Gefahr in sich, daß die diversen Kodifikationen sich wechselweise verheddern und blockieren. Die regulative Unübersichtlichkeit be- oder verhindert die beabsichtigte Problemlösung. Die Ergebnisse der im­plementierten Regulationen haben deswegen mit den durch sie verfolgten In­tentionen nur noch wenig zu tun. Schließlich hat die Zunahme der Regulie­rungen je nach Gegenstand und der mit ihnen verbundenen Sanktionsformen zur Folge, daß flacher oder tiefer in die Bürger- und Menschenrechte be­stimmter Gruppen oder aller Mitglieder einer Gesellschaft eingegriffen wird.

All diese und weitere damit zusammenhängende Erwägungen gelten ent­sprechend auch im Umweltschutz. Die Fülle der geltenden Vorschriften, die seit Ende der 60er Jahre sukzessive verabschiedet wurden, ist kaum noch zu übersehen. Zusätzlich zu privat- und verwaltungsrechtlichen Regelungen weitgespannter Art hat der Deutsche Bundestag im Jahre 1980 dem Strafge­setzbuch (StGB) einen 28. Abschnitt hinzugefügt, der darauf ausgeht, ‚Straftaten gegen die Umwelt‘ zu normieren und entsprechende Sanktionen androht. Dieser Abschnitt ist 1994 ergänzt, spezifiziert und erweitert wor­den. Mit dem Mittel der ’starken Waffe‘ des Strafgesetzes wollte und will man dafür sorgen, daß Delikte, welche die Umwelt massiv schädigen, ent­sprechend sanktioniert sind und daß demgemäß von solchen Delikten abge­schreckt werde. Spezial- und Generalprävention, so lautet die übliche um­weltbezogene Absicht. Damit wird Umweltschutz auch zur erheblichen Auf­gabe der Strafverfolgungsbehörden, von Staatsanwaltschaft, Polizei und Strafgericht.

Generalprävention?

Die Argumente für die ultima ratio strafrechtlich fundierter Sanktion und demgemäßer Verfolgung von ‚Umweltverbrechen‘ wirken auf den ersten Blick überzeugend. In einer typischen Einlassung wies der engagierte Bun­destagsabgeordnete Hermann Bachmaier (SPD) im Rahmen des 15. Strafver­teidigertages 1991 zunächst darauf hin, daß das Strafrecht „nur eine ergän­zende, eine flankierende Funktion im Rahmen der Instrumentarien zum Schutz der Umwelt haben“ könne. Unbeschadet dieser bedachten Einschrän­kung trat er danach jedoch geradezu pathetisch für ein ausgebautes Umwelt­strafrecht auf: „Solange das Strafrecht ein Mittel ist, das im Kampf gegen die schwere Verletzung und Gefährdung von Rechtsgütern ganz selbstverständ­lich zum Einsatz kommt, solange kann das Strafrecht ausgerechnet beim Umweltschutz nicht gänzlich schweigen. Erhebliche Irritationen bis hin zur Frage, ob wir es ernst genug meinen mit unseren tagtäglichen Bekenntnissen zur Ressourcenschonung und zum Schutz der natürlichen Existenzgrundla­gen, wären die geradezu zwingende Folge. Auch aus der Tatsache, daß das derzeit geltende Umweltstrafrecht seiner Aufgabe nur in geringem Umfang nachkommt, kann nicht geschlossen werden, Strafrecht sei generell unge­eignet bzw. untauglich, um im Kampf gegen schwere und als kriminell emp­fundene Umweltgefährdung und Umweltbeeinträchtigung eingesetzt zu wer­den. Vielmehr ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die erkannten Schwachstellen zu beseitigen und den strafrechtlichen Schutz auf die wirklich elementaren Gefährdungen und Beeinträchtigungen der Umwelt zu konzentrieren, also das strafrechtliche Instrumentarium so zu schaffen, daß die gegenwärtig feststell­baren Funktionsmängel beseitigt werden. (…)  Wir (die SPD, Anm. WDN) wollen die Strafverfolgungsorgane in die Lage versetzen, sich um die wirk­lich gravierenden Umweltdelike zu kümmern, so daß die dafür zur Verfü­gung stehenden begrenzten Ressourcen effektiver eingesetzt werden können. (…) Ich gehe nach wie vor davon aus, daß ein einleuchtend konzipiertes Umweltstrafrecht auch seine generalpräventive Wirkung nicht verfehlen wird.“

Bachmaiers Argumentation wird vielfach geteilt. Sie hat sich 1994 erneut strafgesetzförmig niedergeschlagen. Viele engagierte Umweltpolitikerinnen und -politiker gehen sogar darüber hinaus. Beispielsweise Monika Griefahn (SPD), Umweltministerin des Landes Niedersachsen. Sie hebt hervor, daß Niedersachsen 1992 ‚Sonderermittlungsgruppen Umweltschutz‘ bei allen Po­lizeiabschnitten und den Polizeidirektionen Hannover und Braunschweig ge­schaffen hat und daß insbesondere bei der illegalen Beseitigung von Sonder­müll „die Tendenz zur Organisierten Kriminalität im Umweltbereich“ zu be­achten sei. Diesen und anderen Umweltverbrechen etwa in Form „illegalen Handelns mit geschützten Tier- und Pflanzenarten“ will sie u.a. mit einer verbesserten Zusammenarbeit der Umweltbehörden mit den Strafverfol­gungsbehörden – angefangen mit einem frühzeitigen informationellen Aus­tausch – auf die Spur kommen.

Daß Vertreter von Strafverfolgungsbehörden sich mehrheitlich dafür ausspre­chen, den Strafrahmen zu erweitern und vor allem das Umweltstrafrecht un­abhängig von der Verwaltung auf eigene Füße zu stellen, dürfte wenig ver­wundern. Allen aktuellen Problemen zum Trotz – daß man an die ‚großen Fische‘ nicht herankommt, daß Kompetenzen schon bei der angemessenen Identifikation von Umweltproblemen/Umweltverbrechen fehlen, daß Baga­tellfälle quantitativ und qualitativ einen Großteil strafverfolgerischer, ge­richtlich später jedoch nicht weiter verfolgter Arbeit ausmachen – wird von Vertretern der Polizei eine generalpräventive Wirkung des Umweltstrafrechts unterstellt und darauf gedrungen, „die vorbeugenden Tätigkeiten (der Poli­zei, Anm. WDN) im Umweltschutz“ auszudehnen. Also folgt:

„Strafverfolgungsbehörden und Umweltverwaltungsbehörden verfolgen beim Umweltschutz dasselbe Ziel: Die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundla­gen. Sie tun das mit unterschiedlichen Rollen. Es ist wichtig, beide in ihren Rollen zu stärken, fruchtlose Polemik gegeneinander abzubauen und die Zu­sammenarbeit zu verbessern. Wichtig ist (…) eine doppelte Einsicht, daß Umweltschutz sehr viel mehr ist als die Einhaltung von Gesetzen, und daß Umweltpolitik ohne schlagkräftige Strafandrohung und -verfolgung auf die Dauer wirkungslos bleibt“.

Umweltstrafrecht – ein geeignetes Mittel?

Die Erfahrungen mit dem 28. Abschnitt des StGB sind hingegen eher nieder­schmetternd. Eine Erfahrungssumme nach 1994 läßt sich sinnvollerweise noch nicht ziehen. Da die Modifikationen die Systematik des 28. Abschnitts aber nicht veränderten, sondern in eine ähnliche Richtung weisen, setzen die strafrechtspraktischen und strafverfolgerischen Resümees unterschiedliche Akzente nur insoweit, daß die einen aus den geringen Effekten schlußfol­gern, das Strafrecht sei zuzuspitzen und von der Verwaltung zu emanzipie­ren. Außerdem komme es darauf an, die Polizei besser auszustatten und kompetenter zu schulen. Die anderen halten das scharfe Schwert des Straf­rechts für ungeeignet, ja für die Sache des Umweltschutzes schädlich und plädieren für eine umfassendere Umweltpolitik, die veränderte Verwaltungs­verfahren zur Folge haben müßte. Die insgesamt geringen Wirkungen des StGB und der auf ihm basierenden Strafverfolgung werden konsequenter­weise von den einen eher als eine Frage der angemessenen Implementation und ihrer Voraussetzungen angesehen. Das Verhältnis Verwaltung – Straf­verfolgung wäre entsprechend zu ändern; die Polizei zu spezialisieren, besser auszubilden, besser auszustatten u.ä.m. Die anderen jedoch sehen in der strafrechtlich-strafverfolgerischen ‚Lösung‘ von Umweltproblemen geradezu eine Handhabe, auf eine die Ursachen behebende, also etablierten Interessen schmerzende Umweltpolitik weithin zu verzichten.

Gibt es Anhaltspunkte, die eine umweltschützerisch engagierte und in diesem Sinne vernünftige Entscheidungen zwischen den diversen Positionen erleich­terte? Vor dem Hintergrund der heute eher randständig geführten Debatte seien einige angeführt.

Zum ersten: Vergleichsweise eindeutig ist, daß das geltende Umweltstraf­recht umweltpolitisch nicht produktiv ist, um nicht zu sagen, kontraproduktiv wirkt.

„Das Entscheidende ist nicht die Illegalität und die Gesetzesverstöße der kleinen Umweltsünder“, so der renommierte Fachanwalt für Umweltrecht Reiner Geulen bereits 1984, „sondern das Hauptproblem ist die Legalität und teilweise natürlich auch die Rechtswidrigkeit der großen Emittenden“. Ent­scheidend sei, „daß der wesentliche Teil der Umweltzerstörung überhaupt nicht in ihrer (der Polizei, Anm. WDN) Zuständigkeit liegt, sondern an prin­zipiellen Mängeln des Rechtssystems. Also an mangelnden Gesetzen, an mangelndem Vollzug auch durch Umweltbehörden“. In einem späteren Ar­tikel plädiert Geulen dafür, die strafrechtliche Sanktionierung von Umwelt­delikten im Sinne des StGB „ersatzlos zu streichen“ und entwickelt danach Kriterien, die seines Erachtens erfüllt sein müssen, um eine strafrechtliche Verfolgung zu legitimieren. Dies sind: Entkoppelung des Straf­rechts vom „rechtswidrigen Handeln der Verwaltung“; „Strafbarkeit von Amtsträgern“, „Beschlagnahme von Behördenakten, Aussetzung des Strafver­fahrens“ und „Neuregelung der Straftatbestände“.

Zum zweiten: Vor allen Erwägungen, die, wie bei Geulen u.a. auf andere strafrechtliche Normierungen und strafverfolgerische Formen ausgehen, käme es darauf an, eine doppelte, höchst schwierige Frage zu beantworten. Sind alle möglichen menschlich handelnd herbeigeführten Umweltschädigun­gen und Umweltgefahren so klar und eindeutig ausmach- und zurechenbar, daß sie strafrechtlich sanktioniert werden und zuvor strafverfolgerisch identi­fiziert werden können? Wie unterscheiden sich die diversen Umweltgefahren gemäß dieser Frage? Zum anderen: Sind strafrechtliche Normen und Sank­tionen und dementsprechende strafverfolgerische Kompetenzen im Hinblick auf die hauptsächlichen menschlich bewirkten Umweltgefahren die geeigne­ten Mittel, denselben zu begegnen? Oder noch anders gefragt, besteht, indem Umweltgefahren strafrechtlich bekämpft werden sollen, nicht die doppelte Gefahr, daß zum einen das Strafrecht bis zur Unkenntlichkeit gedehnt wird und entsprechende strafverfolgerische Willkürlichkeiten erlaubt und daß zum anderen der umweltschützerische Einatz des Strafrechts nur bewirkt, daß die hauptsächlichen umweltpolitischen Probleme an das Strafrecht und in die Strafverfolgung abgeschoben werden?

Um beide Fragen, genauer Fragenbündel, auch nur skizzenhaft zu behandeln, müßte weiter ausgeholt werden, als dies hier möglich ist. Was die erste Frage angeht, so wird ein Großteil der Umweltprobleme von der etablierten poli­tisch-ökonomischen Normalität produziert. Diese wäre zuallererst zu verän­dern, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Ein anderer Teil, wie bei­spielsweise alle Behauptungen über die sog. Klimakatastrophe, ist wissen­schaftlich so hochgradig umstritten, daß es zuvor darauf ankäme, die Gefah­ren wenigstens plausibel einzuschätzen und nicht als naturwissenschaftliche Tatsache vorauszusetzen. Ein dritter Teil eignet sich infolge des synergeti­schen Charakters der Schädigungen bzw. Gefahren und ihres z.T. eher indi­rekten Zustandekommens nicht dazu, strafrechtlich einzelnen Personen kausal zugeordnet zu werden.

Wenn solcher Art die Antworten zu differenzieren sind und die Komplizen­schaft ‚der‘ Normalität und die Komplexität der Sachverhalte Umwelt und Umweltschutz zeigen, die ihrerseits von gesellschaftlichen Interessen mitkonstruiert werden, dann wird deutlich, daß Umweltprobleme weithin straf­rechtlich nicht angemessen zu behandeln sind. Sie bedürfen, um in ihren so­ziogenetischen Bedingungen gesehen, analysiert und behandelt werden zu können, einer geradezu umfassenden Umwelt-Politik, die außerdem sorgsam darauf achtet, die Grund- und Menschenrechte samt demokratischen Verfah­ren nicht vorschnell auf dem Altar einer nicht soziopolitisch begriffenen Umwelt zu opfern.

Mehr Umweltstrafrecht – weniger Umweltschutzpolitik

Wenn es sich indes mit den Umweltgefahren in etwa so verhält wie angedeu­tet, dann darf demokratisch rechtsstaatlich gesprochen, die scharfe Waffe des Strafrechts nicht gesetzgeberisch geschmiedet und konsequent nicht strafrichterlich polizeilich aus der Scheide gezogen werden. Das Strafrecht, demokratisch rechtsstaatlich begriffen, eignet sich seinem instrumentellen Typus nach in aller Regel nicht dazu, Umweltgefährdungen – sei es präven­tiv, sei es repressiv – zu bekämpfen. Ausnahmen gibt es allein im repressiven Bereich. Der von einer Sachverständigenkommission im Oktober 1997 vor­gelegte Entwurf eines Umweltgesetzbuches kann in seiner Anlage, Zielrich­tung, Konsistenz und Brauchbarkeit an dieser Stelle nicht hinreichend analy­siert und beurteilt werden. In Sachen Umweltstrafrecht fällt jedoch auf, daß dieses vollkommen ausgespart wird. Nur von Ordnungswidrigkeiten ist vor allem im 13. Abschnitt die Rede. Die Verwaltungsakzessorietät bleibt rund-um erhalten. Das in den einzelnen Abschnitten nur leicht modifizierte und etwas deregulierte gesetzliche Umweltkompendium löst auf diese Weise kei­nes der vielen Probleme, die selbst von den Anhängern eines Umweltstraf­rechts als der Lösung dringend bedürftig benannt sind, soll ein Umweltstraf­recht im geltenden Rechtsrahmen und ohne die oben aufgeworfenen prinzi­piellen Probleme überhaupt sinnvoll sein. Doch ohnehin ist hier eher der m. E. stimmigen Argumentation von Jens Christian Müller-Tuckfeld zu folgen: „Nicht daß das Umweltstrafrecht ineffektiv bei der Verhinderung der Um­weltverseuchung ist, ist in erster Linie das Problem, sondern daß es durch seine Botschaft, insofern und weil sie geglaubt wird, eine vernünftige Um­weltpolitik – durchaus effektiv – verhindert. Je mehr Umweltstrafrecht, desto weniger Umweltschutzpolitik.“ Wenn Umweltgefährdungen strafrechtlich bekämpft werden sollen, dann müssen die Gefährdungsdelikte abstrakt nor­miert werden. Damit nehmen nicht nur die unbestimmten Rechtsbegriffe zu und erlauben so strafverfolgerisch Grund- und Menschenrechte präventiv kräftig zu unterhöhlen. Vielmehr geht die personen- und handlungsbezogene raison d’etre des Strafrechts – gefährdet wie sie de lege lata ohnehin weithin ist – völlig verloren. Da jedoch ein solch verändertes, auf alle möglichen Umweltgefährdungen bezogenes Umweltstrafrecht nie dauernd strafverfolge­risch umgesetzt werden könnte, verstärkt das ausgeleierte Strafrecht die exe­kutivisch strafgerichtliche Willkür. Und diese äußert sich dann nicht nur in der Wirksamkeit des bekannten Mottos ‚Die Kleinen hängt man und die Großen läßt man laufen‘. Darüber hinaus dient das Umweltstrafrecht genau dem Zweck, den es offiziell verhindern soll. Es garantiert in der Scheinper­sonalisierung und Scheinverantwortlichkeit der strafrechtlich Überführten da­für, daß die zentralen Gefährdungen qua ökonomisch-politischer Normalität nicht angetastet werden.

Wolf-Dieter Narr lehrt Politologie an der FU Berlin und ist Mitherausgeber von Bürgerrechte & Polizei/CILIP

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