Kreativ und zerstörerisch soll er sein, der Kapitalismus. Letzteres gilt nicht nur für ökonomische Verhältnisse, sondern seit jeher auch für die Institutionen, welche die herrschende Produktionsweise sichern und eigennützig mitgestalten. Doch welche neuen Formen der Kontrolle wachsen auf den Trümmern der alten Verhältnisse? Hieß es vom Neoliberalismus, dass die marktkonforme Selbstregierung der Privilegierten mit der autoritären Ausschließung der „überflüssigen“ Armen korrespondiert, ist aktuell unklar, ob sich dieses Modell nun lediglich verschärft oder bereits Platz für Neues macht.
Mit dem vorliegenden Heft betrachten wir exemplarisch einige aktuelle Entwicklungen. Einerseits zeigen die Beiträge des Schwerpunkts Kontinuitäten: Staatliches „Polizieren“ und Strafen gilt primär den sozialen Randgruppen. Vom Strafvollzug bis zur Gentrifizierung werden gesellschaftliche Probleme durch „Versicherheitlichung“ verschärft; teilweise mittelbar, teilweise aber auch ganz direkt zur Durchsetzung mächtiger (Kapital)Interessen. Andererseits kooperiert die Polizei oft eingebunden in Netzwerke mit profitorientierten Akteur*innen (von der Aufwertung Privater Sicherheitsdienste bis zur neokolonialen Sicherheitspolitik). In den Kinderzimmern zeigt sich die Zukunft: Das privatwirtschaftliche Angebot digitaler Technologien erlaubt die Kontrolle durch berufstätige Eltern und gewöhnt die Kinder an ständige Überwachung. So entsteht eine Normalität, die den Resonanzraum für politische Sicherheitsversprechen und die Praktiken der Polizeien und ihrer privatwirtschaftlichen Pendants bildet. Zugleich jedoch zeigen sich in allen Feldern Widersprüche und Widerstände, die Anlass zur Hoffnung geben.
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Unsere nächste Ausgabe wirft einen Blick auf die Rolle von Forschung im Gerüst der sogenannten Sicherheitsarchitektur. Themen werden die vielfältigen Angebote von und die Nachfrage nach Ingenieurwissenschaften und Informatik sein, aber auch der sozial-, geistes- und rechtswissenschaftliche Spagat zwischen Kritik und Kooptierung.