Parlamentarische Kontrolle neuer Art – Zur Arbeit des Europol-Kontrollausschusses

von Dirk Burczyk (Mitarbeit: Frank Herrmann)

2017 wurde mit der neuen Europol-Verordnung ein „Gemeinsamer parlamentarischer Kontrollausschuss“ eingeführt. Die Regularien für Zusammensetzung und Arbeitsweise mussten erst noch gefun­den werden. Und auch bei der Kontrolltätigkeit selbst hakt es.

 Die Debatte um die parlamentarische Kontrolle von Europol ist fast so alt wie Europol selbst. 1991 wurde durch den Europäischen Rat die Einrichtung einer „Europäischen kriminalpolizeilichen Meldestelle“ beschlossen, die vor allem die Bekämpfung des internationalen Drogenhandels zum Gegenstand haben sollte. Sie war in den Augen der Befürworter*innen zugleich eine notwendige Reaktion auf die Gründung des Schengenraums und des Wegfalls der Binnengrenzkontrollen zwischen seinen Mitgliedstaaten.[1] Die Europol-Konvention trat dann 1999 in Kraft. Mit der weiteren rechtlichen Regulierung von Europol und der Ausweitung des Europol-Mandats wurden auch in dieser Zeitschrift Möglichkeiten der parlamentarischen Kontrolle durch das Europäische Parlament (EP) und die nationalen Parlamente diskutiert.[2] Erst mit dem am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Lissabonner Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union[3] wurde in dessen Artikel 88 festgelegt, dass es eine Kontrolle Europols durch das EP unter Beteiligung der nationalen Parlamente geben muss. Mit Inkrafttreten der Europol-Verordnung zum 1. Mai 2017 wurden hierfür zumindest rudimentäre rechtliche Grundlagen gelegt.[4] In Art. 51 wird darin die Einrichtung eines „Gemeinsamen parlamentarischen Kontrollausschusses“ (engl. „Joint Parliamentary Scrutiny Group“, JSPG) reguliert, der von EP und nationalen Parlamenten gemeinsam eingesetzt werden soll. Die JSPG „führt die politische Kontrolle der Tätigkeiten Europols … durch, einschließlich hinsichtlich der Auswirkungen dieser Tätigkeiten auf die Grundrechte und Grundfreiheiten“. Die JSPG kann hierzu den/die Verwaltungsratsvorsitzende*n, den/die Exekutivdirektor*in oder ihre Stellvertreter*innen zur Erörterung aller Angelegenheiten Europols vorladen und erhält zentrale Dokumente wie Tätigkeitsberichte und Arbeitsprogramme, aber nicht die ohnehin der Öffentlichkeit zugängliche Risikoanalysen, Studien etc. Zur Programmplanung Europols ist die JSPG durch den*die Exekutivdirektor*in (z. Zt. Catherine de Bolle) anzuhören. Dabei ist durch Europol „die Verpflichtung zur Zurückhaltung und Verschwiegenheit“ zu berücksichtigen. Damit kann Europol die Grenze selbst bestimmen, bis zu der das Gremium seine Kontrolltätigkeit tatsächlich ausüben kann. Arbeitsweise und Geschäftsordnung des Ausschusses bestimmen die Parlamente selbst.

Bei der Konferenz der Parlamentspräsident*innen des EP und der nationalen Parlamente (engl. „The Conference of Speakers of the EU Parliaments“, EUSC) vom 22.-24. Mai 2016 wurden hierzu erste Verabredungen getroffen.[5] Das Abschlussdokument betonte, EP und nationale Parlamente seien bei der Festlegung der Arbeitsweise der JSPG gleichberechtigt.[6] Ein deutlicher Hinweis, dass im Folgenden mit harten Verhandlungen zu rechnen war, schließlich haben EP und nationale Parlamente vor dem Hintergrund einer Reihe von gemeinsamen parlamentarischen Gremien Erfahrung damit, wie stark insbesondere das EP darum bemüht ist, eine Führungsrolle in solchen Gremien einzunehmen. Mikropolitisch werden Auseinandersetzungen um Größe, Zusammensetzung, Leitung, Stab und Standort solcher Gremien regelmäßig mit großer Zähigkeit geführt. Und wie immer in solch schwierigen Konstellationen wurde auch für die Ausgestaltung des Europol-Kontrollausschusses eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die bis Dezember 2016 Schritt für Schritt alle relevanten Fragen klären sollte.

Kai aus der Kiste: der Bundesrat

Tatsächlich lagen im Dezember 2016 zumindest Eckpunkte für die Arbeitsweise der JSPG seitens der Vorsitz-Troika der EUSG vor (die „Troika“ ist ein auf EU-Ebene etabliertes Format, in der Vertreter*innen von drei Staaten zusammenwirken, die hintereinander den Vorsitz des Europäischen Rates stellen). Zentral war dabei zunächst die vorgeschlagene Zusammensetzung, mit zwei Delegierten pro Mitgliedsstaat und 10 Abgeordneten des EP-Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE-Ausschuss). Mit 66 Mitgliedern ein gerade noch handlungsfähiges Gremium, in dem jeweils Mehrheits- und Minderheitsführer der nationalen Parlamente hätten vertreten sein können. Doch die Vorsitz-Troika hatte die Rechnung ohne die Mitgliedstaaten gemacht, die je nach Verfassung darauf hinwiesen, dass bei Zwei-Kammern-Parlamenten selbstverständlich beide Kammern und auch hier mit Mehrheits- und Minderheitsführer*innen vertreten sein sollten. In Deutschland forderte der Bundesrat sehr vehement vom Bundestag, ebenfalls vertreten sein zu müssen. Nun ist der Bundesrat kein Parlament, sondern ein an der Gesetzgebung des Bundes beteiligtes Gremium der Bundesländer. Noch dazu sind diese über ein gemeinsam entsandtes Mitglied im Verwaltungsrat von Europol vertreten und erhalten über die Innenministerkonferenz regelmäßig einen Bericht über die Tätigkeit von Europol. Dennoch konnte sich der Bundesrat mit seinem Anliegen am Ende durchsetzen.  So wurden von dort je ein*e Vertreter*in der SPD- und eine*r der CDU/CSU-geführten Landesinnenministerien in den Kontrollausschuss entsandt, namentlich Boris Pistorius (SPD, Niedersachsen) und Holger Stahlknecht (CDU, Sachsen-Anhalt). Letzterer nahm bis zu seiner skandalumwitterten Entlassung 2020 an keiner einzigen Sitzung der JSPG teil. Seitdem ist die Position vakant.

Auf der Tagung des EUSC am 23.-25. April 2017 wurde schließlich der formale Beschluss zur Einsetzung des JSPC gefasst. Hier wurde die Zahl der Delegierten pro Mitgliedstaat auf vier festgelegt. Sie alle sollten aus den jeweiligen Fachausschüssen kommen und über substantielle Sachkenntnis und langjährige Erfahrung verfügen. Dem EP wurden 16 Mitglieder zugestanden, insgesamt also 124 Mitglieder. Erneut wurde die Gleichheit der Parlamente betont. Den Vorsitz des JSPC sollten gemeinsam ein*e Abgeordnete*r des EP und ein*e Delegierte*r des Landes innehaben, das aktuell den Vorsitz des Europäischen Rates führt. Dort soll dann auch die erste Sitzung des Jahres stattfinden, die zweite in Brüssel. Weitere Sitzungen können im Einvernehmen der beiden Vorsitzenden oder auf Verlangen eines Drittels der nationalen Delegierten einberufen werden. Die weiteren Regeln der Arbeit des JSPC sollten von ihm selbst bei seiner ersten Sitzung möglichst noch im zweiten Halbjahr des Jahres 2017 beschlossen werden.

Tatsächlich wurde noch für den 9./10. Oktober 2017 zu einer ersten Sitzung des JSPC nach Brüssel eingeladen. Neben allerlei Reden von EU-Spitzenfunktionären und einer Aussprache über die mehrjährige Programmplanung Europols war dort auch die Diskussion der Geschäftsordnung vorgesehen. In einem ersten Entwurf wurden dabei allerlei Details der Sitzungsdurchführung und der Zuleitung von „relevanten Unterlagen“ durch Europol geregelt sowie die Vertretung der JSPG im Europol-Verwaltungsrat. Zu einer Verabschiedung der Geschäftsordnung kam es vorerst nicht. Wesentlicher Konfliktpunkt war jedoch weniger die Ausgestaltung der Kontrolltätigkeit – so fehlte in diesem Entwurf ein Fragerecht gegenüber Europol –, sondern vielmehr die auf EU-Ebene typischen Macht- und Statusfragen. Um den Einfluss der nationalen Parlamente auf das JSPC zu stärken und eine Dominanz des EP zu verhindern, wurde auch für die Leitung der JSPG eine „Troika“-Regelung verlangt. Die weitere Beratung wurde auf die folgende zweite Sitzung der JSPG am 18./19. März 2018 in Sofia vertagt.

Im Nachgang einer Vielzahl bilateraler Vorgespräche, bei dem die Delegierten Diplomatie spielen durften, wurde schließlich ein Kompromiss geschlossen. Delegierte in der JSPG haben nun ein Fragerecht gegenüber Europol, von dem sie auch schriftlich zwischen den Sitzungen Gebrauch machen können. Auch die Einrichtung von Untergruppen ist möglich. Die nationalen Parlamente setzten ihre Idee einer „Vorsitz-Troika“ durch. Die Aufsetzung von Tagesordnungspunkten durch die Mitglieder des Gremiums fand keine Aufnahme in die Geschäftsordnung – die Tagesordnung wird vom Vorsitz festgelegt.

Parlamentarische „Kontrolle“ als Marketingveranstaltung

Die dann ab der dritten Sitzung der JPSG aufgenommene Tätigkeit folgte auch hierdurch einer Standardagenda. Im Wesentlichen sind die Tagesordnungen geprägt von Reden der Europol-Exekutivdirektorin, der Vorsitzenden des Verwaltungsrats, der zuständigen EU-Kommissarin und des Europäischen Datenschutzbeauftragten. Redebeiträge aus dem Plenum ergingen sich jedenfalls zu Beginn in Ergebenheitsadressen an die wichtige Rolle Europols für die Kriminalitätsbekämpfung in der EU. Kritik richtet sich vor allem an Kommission und EU-Rat, die nach Meinung vieler Delegierter nicht ausreichend Finanzmittel zur Verfügung stellen. Vorschläge etwa aus Schweden, im Rahmen der vorgesehenen Überarbeitung der Geschäftsordnung vorzusehen, dass auch Mitarbeiter*innen Europols unterhalb der Exekutivdirektorin eingeladen werden sollten, um einen profunderen Einblick in die reale Tätigkeit der Agentur zu gewinnen, wurden abgelehnt (trotz einer entsprechenden Regelung in Art. 51 Abs. 2a) der Verordnung). Ab 2019 wurde lediglich eine leichte Anpassung dahingehend vorgenommen, dass es nun Vorträge zu einzelnen Schwerpunktthemen gibt.  Doch das änderte nichts an dem Charakter einer „Werbeverkaufsveranstaltung“, bei der sich Europol als Ritter in schillernder Rüstung gegen allerlei Bedrohung von Freiheit, Recht und Eigentum in der EU präsentieren konnte. Erst bei der zehnten Sitzung am 28. Februar 2022 kam es darüber zu Debatten innerhalb des Gremiums. Befeuert wurden diese noch dadurch, dass die Exekutivdirektorin de Bolle selbst auf einfachste Fragen von Delegierten, wie nach dem Einsatz von Europol im Rahmen der Sanktionsdurchsetzung gegen Russland, keine Antwort gab, und die Innenkommissarin in einem länglichen Vortrag nur ihre politischen Zielvorstellungen zum Besten gab. Die Tagesordnung zur elften Sitzung am 24./25. Oktober 2022 sah dann lediglich noch einen Themenvortrag (Auswirkungen des Ukrainekriegs auf die Sicherheit in der EU) vor und ließ deutlich mehr Platz für die Debatte unter den Delegierten. Auch lässt sich feststellen, dass die Abgeordneten ihr Fragerecht mittlerweile vermehrt – auch zwischen den Sitzungen – nutzen und die Antwortzeiten sich von anfangs einem halben Jahr auf wenige Wochen verkürzt haben. Gleichwohl bestehen wesentliche Probleme der parlamentarischen Kontrolle von Europol fort.

Strukturelle und politische Rahmenbedingungen

Die allenthalben von Bürgerrechtler*innen geforderte „parlamentarische Kontrolle“ von Europol unterliegt zwei Missverständnissen, wenn sie versucht, eine solche auf EU-Ebene nach den Vorstellungen von parlamentarischer Kontrolle in Nationalstaaten zu modellieren.

Erstens richtet sich die parlamentarische Kontrolle in den Nationalstaaten nicht auf die Behörden als solche. Im modernen Staatswesen, wie es sich im 20. Jahrhundert herausgebildet hat, agieren Behörden in der alltäglichen Dienstausübung weitgehend frei von ministerialer Steuerung und damit „unabhängig“. Sie unterstehen jedoch der Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht durch die Ministerien. Interne Dienstanweisungen müssen dort vorgelegt und abgesegnet werden, es ergehen Weisungen zu Details der Rechtsanwendung, die Verausgabung der Haushaltsmittel wird kontrolliert und Ereignisse von besonderer Bedeutung müssen gemeldet werden. Auf diese Aufsichtstätigkeit richtet sich staatsrechtlich betrachtet die Kontrolle. Weil etwa bei den Sitzungen der parlamentarischen Fachausschüsse dann auch Behördenleiter zur Berichterstattung eingeladen werden können, entsteht das Missverständnis, diese würden durch das Parlament kontrolliert. Nur bei Gelegenheiten, in denen Minister*innen einen Bericht durch eine*n Behördenleiter*in verweigern, wird den Parlamentarier*innen bewusst, wie begrenzt parlamentarische Kontrolle funktioniert.

Das zweite Missverständnis setzt auf das erste auf. Überträgt man dieses System der parlamentarischen Kontrolle in den Nationalstaaten auf die EU, würde es bedeuten, dass die Tätigkeit einer Fach-, Dienst- und Rechtsaufsicht führenden Stelle in der EU der Gegenpart der JSPG wäre. Es ist der weithin wenig beachtete Irrsinn der EU-Bürokratie, dass es hier eine solche Aufsicht überhaupt nicht gibt. Die EU-Kommissarin für Inneres ist es nicht. Sie kann nicht einmal die Europol-Exekutivdirektorin abberufen. Das Einzige, was die EU-Kommission hier leistet, ist die Kontrolle der rechtmäßigen Haushaltsführung. Die Ernennung und Abberufung der Exekutivdirektorin erfolgt, auf Vorschlag des Verwaltungsrates, durch den Europäischen Rat – das wiederum ist das Gremium der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union. Aber auch dieses kann eine durchgehende Aufsicht wie auf nationaler Ebene überhaupt nicht wahrnehmen, schon weil Staats- und Regierungschefs für eine solche Aufgabe eher nicht geeignet sind und nachgeordnete Mitarbeiter*innen aus den Ministerialbürokratien der Teilnahmestaaten diese Tätigkeit nur als eine Aufgabe unter vielen anderen ausüben. Kurz gesagt: Es handelt sich um ein geradezu perfektioniertes System der Diffusion politischer Verantwortung. Dass irgendjemand seinen Hut nehmen müsste, weil Europol in krasser Art und Weise gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstoßen hat, wie sie der Europäische Datenschutzbeauftragte festgestellt hat,[7] ist so gut wie ausgeschlossen.

Gerade dieser Fall hätte aus bürgerrechtlicher Sicht für einen Aufschrei des JPSC, für Sondersitzungen und mehr sorgen müssen. Hier wirken sich noch weitere Probleme aus, welche die Arbeit des Gremiums insgesamt prägen. So ist mit Blick auf die Debatten und Redebeiträge[8] zu konstatieren: parlamentarische Kontrolle an sich bringt noch keine kritische, bürgerrechtlich zumindest informierte Sicht auf die Arbeit von Europol hervor. Sich als „pressure group“ für die Interessen Europols an mehr (operativen) Befugnissen, erweiterten Aufgaben und vor allem mehr Finanzmitteln zu begreifen, ist vielen Delegierten nicht so fremd, wie naiverweise von Parlamentarier*innen zu erwarten wäre. Ob dies auch unterschiedlichen nationalen parlamentarischen Erfahrungen und Mentalitäten geschuldet ist, kann von hier aus nicht bewertet werden. Dass um die Aufnahme eines Fragerechts in die Geschäftsordnung des Gremiums ernsthaft gestritten werden musste, gibt aber sicherlich einen Fingerzeig.

Kontrolle notwendig – dringend!

Mit der neuen Europol-Verordnung, die mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union am 28. Juni 2022 in Kraft getreten ist, sind die Befugnisse von Europol ein weiteres Mal erweitert worden.[9] In noch größerem Umfang als bislang wird die ungerichtete Sammlung und Auswertung von Massendaten legalisiert, nachdem der Europäische Datenschutzbeauftragte (engl. „European Data Protection Supervisor“, EDPS) die Rechtwidrigkeit der bisherigen Praxis festgestellt hatte (s.o.). Mit privaten Einrichtungen, Drittstaaten und internationalen Organisationen sowie der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) dürfen Daten ausgetauscht werden; generell wird die Kooperation von Europol und EUStA enger. Die Exekutivdirektorin erhält das Recht, nationalen Polizeibehörden die Einleitung von Ermittlungen vorzuschlagen. Auch die Ausschreibung von Personen im Schengener Informationssystem kann Europol den Teilnehmerstaaten nun vorschlagen. Kurzum: Europol wird noch viel mehr Daten aus noch mehr Quellen verarbeiten und seine Rolle als Taktgeber der EU-Polizeikooperation stärken können.

Auch die JPSG erfährt eine umfassende Stärkung, jedenfalls nach dem Wortlaut der neuen Verordnung. Je ein Mitglied der JPSG aus dem EP und aus einem nationalen Parlament werden künftig beobachtend an aus­ge­wählten Tagesordnungspunkten der Sitzungen des Verwaltungsrats teilnehmen. Berichte über die Tätigkeit müssen zukünftig detaillierter ausfallen, deutlich umfassender muss über die Datenübermittlung, Datenverarbeitung und ihre Ergebnisse berichtet werden, schließlich darf das Gremium unverbindliche Empfehlungen an Europol aussprechen. Korrespondierend zur Einrichtung eines Grundrechtsbeauftragten bei Europol wird bei der JPSG ein „Konsultationsforum“ (Art. 52a Europol-VO) eingerichtet, das unabhängige Beratung in Grundrechtsfragen leisten soll.

Doch bleiben damit wesentliche Hindernisse einer wirksamen parlamentarischen Kontrolle unausgeräumt. Dies betrifft das oben angesprochene Problem, ob ausreichend Abgeordnete ihre Möglichkeiten, über das Fragerecht und beharrliche Befragungen in den Sitzungen Probleme in der Tätigkeit von Europol offenzulegen, auch tatsächlich nutzen. Hier sind Verbesserungen zu beobachten, die der intensiven Arbeit einzelner Abgeordneter geschuldet sind, sie bedeuten aber keine systematische Verbesserung. Denn auf struktureller Ebene bleibt die JSPG ein politisches Gremium, das von Arbeitsweise und Zusammensetzung nicht auf eine notwendige enge fachliche Aufsicht ausgerichtet ist. Fraglich ist deshalb, ob die vielen neuen Unterrichtungen über die zahlreichen neuen Befugnisse überhaupt ausreichend bewertet werden können – oder ob die JPSG demnächst genau so in Informationen ertrinkt wie Europol selbst. Klar ist, dass die JSPG mehr könnte. So hätte der Datenskandal bei Europol geradezu nach der Einrichtung eines Unterausschusses geschrieen, wie ihn die Geschäftsordnung erlaubt, nur passierte dies nicht. Es wäre jedenfalls einen Versuch wert, ob durch solche Unterausschüsse die erforderliche fachliche Aufsicht verbessert werden könnte. Dazu wäre eigentlich auch ein Akteneinsichtsrecht erforderlich, das es eingeschränkt bislang nur für das EP gibt (Art. 52 Europol-VO). Am strukturellen Problem der diffusen politischen Verantwortung auf EU-Ebene ändert sich so oder so erst einmal nichts.

[1]    Pütter, N.: EKA, ADIU und EUROPOL, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 40 (3/1991), S. 41-46
[2]    Busch, H.: Europäische Innere Sicherheit – Möglichkeiten parlamentarischer Kontrolle? in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 57 (2/1997), S. 58-67
[3]    Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 115 v. 9.5.2008, aktuelle Fassung in: Amtsblatt der Europäischen Union, (ABl. EU) L 112 v. 24.4.2012, S. 21ff.
[4]    Verordnung (EU) 2016/794 v. 11.5.2016, in: ABl. der EU L 135/78 v. 24.5.2016, S. 78ff.
[5]    https://secure.ipex.eu/IPEXL-WEB/conferences/eu_speakers/meetings
[6]    In den Schlussfolgerungen des Treffens heißt es „on equal footing”. EUSC: Conclusions of the Presidency, Luxembourg, 22-24 May 2016, Rn. 34, https://secure.ipex.eu/IPEXL-WEB/download/file/082dbcc5552d18f501552ff39e210253/Conclusions%20EN.pdf
[7]    vgl. die Meldung „Datenschutzbeauftragter klagt gegen EU-Institutionen“ in diesem Heft
[8]    Diese können hier verfolgt und auch im Nachhinein angeschaut werden: https://multimedia.europarl.europa.eu/en/webstreaming/libe-committee-meeting_20221025-0900-COMMITTEE-LIBE
[9]    ABl. EU L 169 v. 27.6.2022, S. 42ff.; vgl. auch Berthélémy, C.; Lund, J.: Europol-Reform mit operativen Befugnissen, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 128 (März 2022), S. 22-29

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