Polizeiliche Todesschüsse 2008: IMK-Statistik wird zunehmend unbrauchbar

von Otto Diederichs

Insgesamt zehn Fälle polizeilichen Schusswaffengebrauchs mit tödlichem Ausgang verzeichnet die CILIP-Zählung für 2008. Zum gleichen Ergebnis kommt auch die offizielle Statistik der Innenministerkon­ferenz (IMK) – allerdings auf Umwegen.

 Wie mit der Schusswaffengebrauchsstatistik öffentlich umgegangen wird, liegt gemäß einem Beschluss der IMK ausschließlich im Ermessen ihres jeweiligen Vorsitzenden. Schon der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), der diese Funktion im vergangenen Jahr inne hatte, meinte auf die bis dahin übliche Publikation verzichten zu können. Informationen waren nur schwer zu erhalten, die Statistik als Ganze wollte Schönbohms Ministerium selbst auf eine entsprechende An­frage der Redaktion ausdrücklich nicht herausrücken.[1] Wenigstens dazu konn­te sich der vom diesjährigen IMK-Vorsitzenden Ulrich Mäurer (SPD) ge­führte Bremer Innensenat durchringen. Allerdings sind die Zahlen nur schwer nachvollziehbar.

Die Statistik gliedert sich in drei Teile. Unter dem ersten Haupttitel „Schusswaffengebrauch gegen Personen“ finden sich nicht nur die unmittelbar gegen Personen gerich­teten Schüsse (insgesamt 37 Fälle), sondern zwei weitere Kategorien, nämlich „Warnschüsse“ (69) so­wie „Schusswaffengebrauch gegen Sachen“ (22). Als „Folgen“ nennt die Sta­tis­tik in diesem ersten Teil neun Tote und 15 Verletzte.

Verwirrend ist, dass die Kategorie „Schusswaffengebrauch gegen Sachen“ ein weiteres Mal unter dem zweiten Haupttitel („Schuss­waffen­ge­brauch gegen Tiere/Sachen“) auftaucht – nun allerdings mit nur zehn Fällen. Nicht ersichtlich ist, ob diese zehn zu den obigen 22 zu addieren sind und was die erste Kategorie von Schüssen gegen Sachen gegebenenfalls von dieser zweiten unterscheidet. Hier findet sich dann auch der fehlende „Fall mit Todesfolge“. Es dürfte sich um einen Einsatz von Berliner Polizisten in Brandenburg am 31. Dezember 2008 handeln, bei dem ein gesuchter Kleinkrimineller festgenommen werden sollte. Ein Beamter gab dabei insgesamt acht Schüsse auf den in seinem Auto sitzenden Mann ab (s. Ta­belle, Nr. 10). Warum der Fall nicht als „Schusswaffengebrauch gegen Personen“ erfasst wurde, bleibt unklar.

Im dritten Teil – „unzulässiger Schusswaffengebrauch“ – zählt die IMK schließlich drei Fälle, jeweils Schüsse gegen Sachen, die aber alle folgenlos blieben.

Die Statistik der IMK ist somit nur mit Vorsicht zu betrachten. Unproblematisch, aber auch unwichtig, ist nur die Zahl der Schüsse zum „Töten gefährlicher, kranker oder verletzter Tiere“: 7.893.

Unseriös?

Die jährliche Dokumentation polizeilicher Todesschüsse (ab 1976) in Bürgerrechte & Polizei/CILIP stützt sich nach wie vor weitgehend auf Pressemeldungen, aus denen sich das Szenario des jeweiligen Falles zumindest grob rekonstruieren lässt. Allerdings ist der Rechercheaufwand in den vergangenen Jahren erheblich gewachsen: Viele Fälle schlagen sich lediglich auf den Lokalseiten von Regionalzeitungen nieder und sind daher nur schwer aufzufinden. Die IMK-Statistik hilft hier auch nicht weiter, da sie die von den Ländern gemeldeten Daten zu bundesweiten Gesamtzahlen verarbeitet.

Mitte Juli 2009 wandte sich die Redaktion deshalb brieflich an die Innenministerien sämtlicher Bundesländer und bat um Mitteilung, „wie viele Fälle von polizeilichem Schusswaffeneinsatz mit tödlichem Ausgang und wie viele Fälle von polizeilichem Schusswaffengebrauch im Jahr 2008 insgesamt“ sie an die IMK gemeldet hatten. Bis zur Drucklegung dieses Heftes hatten lediglich sechs Bundesländer (Baden-Würt­tem­berg, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Hol­stein) reagiert: Sie lehnten nahezu wortgleich eine Auskunft ab und verwiesen auf den Bremer IMK-Vorsitz. Von dort kam am 12. Au­gust eine ebenso freundliche wie verärgerte E-Mail: „Aus Innenministerien anderer Länder“ habe man erfahren, dass CILIP eine „länderspezifische Statistik“ zu erhalten versuche, was ausgeschlossen sei. Eine „Differenzierung zwischen den Bundesländern wäre unseriös und ist daher nicht vorgesehen“, hieß es schließlich am 2. September im Antwortschreiben der „Deutschen Hochschule der Polizei“ (vormals: Polizei-Füh­rungsaka­demie), die die Statistik für die IMK zusammenstellt. Was an öffentlich nachprüfbaren Zahlen über den schwersten polizeilichen Eingriff unseriös sein soll, erklärt jedoch weder die Hochschule noch die IMK.

[1]      vgl. Bürgerrechte & Polizei/CILIP 90 (2/2008), S. 74-78

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