von Otto Diederichs
Im vergangenen Jahr endeten zehn Fälle polizeilichen Schusswaffengebrauchs tödlich.
Bereits seit rund zehn Jahren muss bei der jährlichen Dokumentation von Fällen polizeilichen Schusswaffengebrauchs mit tödlichem Ausgang festgestellt werden, dass solche Meldungen häufig nicht mehr über die Ebene lokaler Berichterstattung hinaus gelangen und sich somit vielfach einer Erfassung entziehen. Auch die daraufhin im Jahre 1996 geänderten Kriterien für die Erstellung der CILIP-Todesschuss-Statistiken und die verbesserten Recherchemöglichkeiten durch das Internet haben daran nicht allzu viel ändern können. Exemplarisch zeigt sich dies an der jetzt vorliegenden Statistik für das Jahr 2004.
So wies die Presseauswertung von Bürgerrechte & Polizei/CILIP zunächst nur sechs tödliche Schusswaffeneinsätze der Polizei aus. Die Anfang Mai 2005 vorgelegte offizielle Schusswaffengebrauchsstatistik der Innenministerkonferenz (IMK) vermeldete dagegen insgesamt neun Fälle.[1] Da die IMK jedoch nicht nach einzelnen Bundesländern differenziert, sondern nur absolute Zahlen veröffentlicht, erwies sich die notwendige Nachrecherche als recht kompliziert und zeitaufwendig. Festgestellt werden konnte dabei zunächst nur ein einziger fehlender Vorfall in Schweinfurt (Fall 5).
Die verbleibenden Lücken konnten nur dank der Unterstützung des Bundesvorstands der Gewerkschaft der Polizei (GdP) geschlossen werden. Durch Nachfrage bei ihren Landesverbänden gelang es der GdP innerhalb weniger Tage die in Frage kommenden Bundesländer zu identifizieren und in zwei Fällen auch die entsprechenden Daten zu ermitteln. Über den bisher üblichen Weg der Presse- und Internetauswertung wären diese Fälle (4 und 8) unentdeckt geblieben, denn auch eine nunmehr gezielter mögliche Netz-Recherche blieb in diesen Fällen erfolglos. Der letzte noch fehlende Vorfall, von dem unterdessen zumindest bekannt war, dass er sich in Hessen ereignet haben musste, konnte schließlich durch Nachfrage beim dortigen Innenministerium geklärt werden (Fall 9).
Ein zehnter Fall
Die Nachrecherche förderte einen weiteren tödlichen Schusswaffengebrauch zu Tage, der in der IMK-Aufstellung nicht auftaucht (Fall 3). Bei dem Getöteten handelt es sich um einen Beamten eines Sondereinsatzkommandos, der bei einer Übung versehentlich von einem Kollegen erschossen wurde. Dieser Fall wird als unbeabsichtigte Schussabgabe behandelt. Unbeabsichtigte Schüsse aber werden nach einem Beschluss der IMK von 1983 nicht mehr in der offiziellen Statistik erfasst.
Bereits im Jahre 2001 ergab sich durch diese frisierte Zählweise eine Differenz zur Zahl der in der Presse berichteten Fälle. Damals fehlten in der IMK-Statistik drei tödliche Schussabgaben. Eine davon betraf wie in dem obigen Kölner Fall einen Polizisten. Welche beiden anderen die IMK als „unbeabsichtigt“ rubrizierte, ließ sich nicht rekonstruieren.
Selbst wenn man die Einschätzung teilt, dass es sich hier um bedauernswerte Unglücksfälle handelt, ist nicht einzusehen, warum sie nicht zumindest der Transparenz halber aufgelistet werden. An einem zu großen Arbeitsaufwand kann diese Forderung nicht scheitern. Denn zum Glück bewegt sich die Zahl der tödlichen Schüsse der deutschen Polizei auf einem international niedrigen Niveau.
Weitere Zahlenangaben aus der IMK-Statistik zum polizeilichen Schusswaffengebrauch: 5.946 Schüsse insgesamt (2003: 5.635); davon Schüsse auf Tiere: 5.769 (5.440); Schüsse auf Sachen: 12 (27; Warnschüsse: 72 (99); Schüsse auf Personen: 63 (44). Zwei Schüsse auf Personen wurden als unzulässig bewertet. 23 (23) Personen wurden durch den polizeilichen Schusswaffengebrauch verletzt.