von Heiner Busch
In den vergangenen zwei Jahrzehnten war das Strafverfahrensrecht einer Serie von Veränderungen unterworfen, die vor allem der Polizei einen Machtzuwachs im Ermittlungsverfahren brachten. Die Strafprozessordnung, die einst als Magna Charta der Beschuldigtenrechte galt, wurde ins Recht der Inneren Sicherheit eingemeindet.
Wer die ersten Seiten des Kommentars von Meyer-Goßner zur Strafprozessordnung (StPO) aufschlägt, wird sich die Augen reiben.[1] Hier findet man eine Übersichtstabelle über die Änderungen der StPO seit ihrer Einführung 1877: Von den insgesamt 149 Änderungsgesetzen fallen 120 in die Geschichte der Bundesrepublik. Von denen wiederum wurden 91 seit der Strafprozessreform von 1974 und 74 seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von Dezember 1983 verabschiedet.
Welp konstatierte schon 1994, die StPO habe mittlerweile nur noch die Stabilität einer „Ausführungsverordnung zum Einkommenssteuergesetz“.[2] Dass ein Gesetzeswerk wie dieses in relativ kurzer Zeit so oft geändert wurde, ist eines. Etwas anderes ist, dass es sich bei den Veränderungen keineswegs nur um irgendwelche Detailanpassungen gehandelt hat, sondern zum Teil um tiefe Einschnitte.
Ein wesentlicher Teil dieser Veränderungen bezog sich auf das Ermittlungsverfahren und betraf dabei die Befugnisse – insbesondere der Polizei – zur Erhebung und Verarbeitung von Informationen. Dass diese Veränderungen im Strafprozessrecht nicht isoliert betrachtet werden können, ergibt sich schon alleine daraus, dass dieselben Befugnisse parallel oder zeitlich versetzt im Polizeirecht, teilweise auch im Recht der Geheimdienste verankert wurden. Die treibende Kraft hinter diesem Verrechtlichungsprozess ist nicht in irgendwelchen rechtlichen Notwendigkeiten zu suchen, sondern in den organisatorischen, technischen und konzeptionellen Veränderungen der „Sicherheitsbehörden“ seit den 70er Jahren.
Den Auslöser der Gesetzeswelle bildete das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 1983.[3] Das Gericht hielt darin fest, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes auch ein „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ beinhalte. Daten dürften grundsätzlich nur zu dem Zweck verarbeitet werden, zu dem sie erhoben worden sind. Jede Datenerhebung und ‑verarbeitung, aber auch jede Zweckentfremdung erforderten eine formell-gesetzliche Grundlage. Mit dieser Entscheidung stand die gesamte polizeiliche Informationsverarbeitung – sei es zu präventiven oder repressiven Zwecken – von einem Moment auf den anderen rechtlich nackt da. Für die Beschaffung neuer Kleider räumte das Verfassungsgericht einen Übergangsbonus von fünf Jahren ein.
Die GesetzesmacherInnen in Bund und Ländern machten sich schnell an die Arbeit. Bereits 1986 präsentierte die Innenministerkonferenz für die polizeirechtliche Seite einen neuen Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes (MEPolG), der die Grundlage für die Novellierung der Landespolizeigesetze abgab.[4] Für das Strafprozessrecht legte das Bundesjustizministerium seinerseits 1987 einen ersten „Arbeitsentwurf“ vor, der 1988 und 1989 zu Entwürfen für Strafverfahrensänderungsgesetze (StVÄG) umgearbeitet wurde.[5]
Vorlauf in den 70er Jahren
Bis zu diesem Zeitpunkt hatten weder die Polizeigesetze der Länder noch die Strafprozessordnung eine Regelung für die polizeiliche Datenverarbeitung enthalten. Man war vielmehr davon ausgegangen, dass das Erheben, Speichern, Nutzen und Übermitteln von Daten schlicht hoheitliches Handeln sei, für das es keiner weiteren gesetzlichen Grundlage bedürfe. Allenfalls wurde § 81b StPO, der das weitere Aufbewahren erkennungsdienstlicher Unterlagen regelte, als genügend angesehen. Regelungen auf untergesetzlicher Ebene, nämlich die Dateienrichtlinien des Bundeskriminalamts und die Richtlinien für die Führung kriminalpolizeilicher Sammlungen, waren auch erst Anfang der 80er Jahre erlassen worden – und das auch nur aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit und der Datenschutzbeauftragten.
Der Verrechtlichungsprozess der 70er Jahre hatte sich zunächst nur einer Folge des neuen Instrumentariums gewidmet, nämlich der polizeilichen Kontrollstelle. Die im Gefolge des MEPolG der 70er Jahre verabschiedeten Regelungen in den Landespolizeigesetzen trugen der Tatsache Rechnung, dass sich durch die Existenz von Fahndungsdateien die Praxis der polizeilichen Identitätsfeststellung grundsätzlich geändert hatte. An „gefährlichen Orten“ konnten nun alle PassantInnen kontrolliert und einer Fahndungsabfrage unterworfen werden. Der polizeiliche Eingriff richtete sich nicht mehr gegen einzelne Personen, die aufgrund ihres Verhaltens als verdächtig oder als „Störer“ galten, sondern gegen „jedermann“. Erkennbar wurde durch die neue Form der Kontrolle die Umkehrung des Verdachts, die für einen großen Teil der neuen polizeilichen Methoden und der darauf aufbauenden rechtlichen Regelungen typisch ist: Galt bis dahin, dass erst der Verdacht oder die Störereigenschaft eine Kontrolle erlaubten, so sollte nun der Eingriff in die Bewegungsfreiheit der Person, die Kontrolle und der Fahndungsabgleich, zeigen, ob diese Person als verdächtig oder unverdächtig einzustufen ist.
Dass diese von konkreten Anlässen unabhängige Jedermannsbefugnis nicht mehr der traditionellen Aufgabenstellung der Polizei, der Abwehr einer im Einzelfall bestehenden konkreten Gefahr, entsprach, war den Verfassern des MEPolG durchaus klar. In der ersten Fassung ihres Entwurfs 1974 hatten sie deshalb auch eine Neuformulierung der polizeilichen Generalklausel vorgeschlagen, die den „umfassenden Sicherheitsauftrag“ der Polizei verdeutlichen sollte.[6] Aufgabe der Polizei sollte nicht mehr nur sein, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, sondern „die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten“. Wegen angeblicher „Auslegungsschwierigkeiten“ verzichtete man jedoch auf diese Formulierung.
Parallel zur Umsetzung des Musterentwurfs im Polizeirecht der Länder bemühte man sich um eine „Harmonisierung“, die im Strafprozessrecht zu parallelen Befugnissen führen sollte. Diese folgten im April 1978 allerdings in abgeschwächter Form in den sog. Razziengesetzen. § 111 StPO ermöglichte es nun, an polizeilichen Kontrollstellen „jedermann“ auf seine Identität zu überprüfen und zu durchsuchen. Voraussetzung war und ist, dass „bestimmte Tatsachen“ den Verdacht begründen, „dass eine Straftat nach § 129a Abs. 1 des Strafgesetzbuches“ (StGB, terroristische Vereinigung), eine der dort aufgeführten Katalogtaten oder ein schwerer Raub (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB) begangen worden ist, und „dass diese Maßnahme zur Ergreifung des Täters oder zur Sicherstellung von Beweismitteln führen kann“. Die Einrichtung dieser strafprozessualen Kontrollstelle muss durch den Richter, bei Gefahr im Verzug durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei angeordnet werden. Die scheinbar komplizierten Voraussetzungen und der Richtervorbehalt verdecken die Tatsache, dass der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs schon im Jahr der Verabschiedung Kontrollstellen im gesamten Bundesgebiet für einen Zeitraum von drei Monaten angeordnet hatte. Die im Vergleich zum Musterentwurf eingeschränkten Voraussetzungen führten jedoch dazu, dass der § 111 StPO insgesamt eine geringere Bedeutung erhielt.
Datenerhebung und -verarbeitung: Der Standard …
Im Unterschied zu den 70er Jahren konnten sich die Gesetzgeber in Bund und Ländern nach dem Volkszählungsurteil nicht mehr nur auf die Regelung der äußerlichen Folgen der polizeilichen Datensysteme beschränken. Die gesamte polizeiliche Datenerhebung und -verarbeitung musste nun gesetzlich verankert werden. Wer erwartet hatte, dass das Verfassungsgerichtsurteil zu einer Beschränkung der polizeilichen Praxis führen würde, sah sich getäuscht.
Den Anfang machte die Innenministerkonferenz mit einer Neuauflage des MEPolG. Anders als in den 70er Jahren wurde nun auch die polizeiliche Generalklausel verändert. Die „vorbeugende Bekämpfung von Straftaten“, gegebenenfalls mit der Einschränkung auf „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ oder auf einen Deliktkatalog, sowie die Vorsorge für die Abwehr künftiger Gefahren wurden als zusätzliche polizeiliche Aufgaben verankert. Die neuen informationellen Befugnisse sind fast durchgängig auf diese „dritte Dimension polizeilichen Handelns“ jenseits der klassischen Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung bezogen.[7] Neben speziellen „operativen“ Maßnahmen der Erhebung und Verarbeitung von Daten ging es dabei um
- die Erhebung von Daten, die nicht nur bei Störern, sondern – zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten – auch bei Personen möglich ist, „bei denen Anhaltspunkte bestehen, dass sie künftig Straftaten begehen“, sowie bei deren Kontakt- und Begleitpersonen, bei potenziellen Opfern, Zeugen, Hinweisgebern und Auskunftspersonen,
- die Speicherung, Veränderung und Nutzung dieser Daten,
- die Nutzung von Daten, die im Rahmen von Strafermittlungsverfahren erhoben wurden, zur weiteren Verwendung bei der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten,
- die Übermittlung gegebenenfalls durch automatisierte Abrufverfahren an andere Polizeibehörden sowie weitere öffentliche und private Stellen.
Die Länder setzten in der Folge dieses Programm in ihren Polizeigesetzen um. Der Arbeitsentwurf respektive die StVÄG-Entwürfe von 1988 und 1989 sollten erneut zu einer „Harmonisierung“ von Polizei- und Strafprozessrecht führen. Sie enthielten daher erstens eine Datenerhebungsregel für den Bereich des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, eine Ermittlungsgeneralklausel, zweitens eine Dateienregelung und drittens die Möglichkeit, im Strafverfahren gewonnene Daten für weitere Strafverfahren aber auch für präventivpolizeiliche Zwecke nutzen zu können. Damit wären die polizeilichen Dateien, in denen üblicherweise sowohl Daten aus dem Ermittlungsverfahren als auch polizeiliche Daten – vor allem der sog. vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten – gespeichert werden, bruchlos verrechtlicht gewesen. Darüber hinaus sahen die StVÄG-Entwürfe das volle Programm der „operativen“ Methoden vor.
Die schnelle Verabschiedung gelang jedoch nicht. Das Gesamtprogramm der StVÄG-Entwürfe wurde aufgegliedert. Dass dabei der Übergangsbonus von fünf Jahren, den das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber eingeräumt hatte, weit überschritten wurde, hatte auf die polizeiliche Praxis keinen Einfluss. Erst zehn Jahre nach dessen Auslaufen legte die nunmehr rot-grüne Bundesregierung einen Entwurf vor, der die repressive Seite der polizeilichen Datenverarbeitung in der Strafprozessordnung verankern sollte. Das Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 wurde am 2. August 2000 verabschiedet.[8]
Mit den neu gefassten §§ 161 und 163 wurde nun auch für das Ermittlungsverfahren eine Datenerhebungsregel geschaffen. Sie bildeten bis dahin eine Aufgabenzuweisung an die Staatsanwaltschaft bzw. an die Polizei als deren Hilfsbeamte, die im „ersten Zugriff“ die unaufschiebbaren Ermittlungsmaßnahmen ergreifen sollten. Jetzt mutierten diese Paragrafen „zu einer Generalermittlungsbefugnis für Maßnahmen, denen eine geringere Eingriffsintensität zugeschrieben wird, als sie die ‚klassischen‘ prozessualen Zwangsbefugnisse wie Durchsuchung, Beschlagnahme oder körperliche Eingriffe aufweisen“, für die es ähnlich wie für die Telefonüberwachung einer ermittlungsrichterlichen Anordnung bedarf.[9] Unter die Ermittlungsmaßnahmen geringerer Intensität fallen einerseits Erkundigungen im Umfeld einer gesuchten Person oder bei Behörden, andererseits auch kurzfristige Observationen und der Einsatz von V-Leuten. Während § 161 die Staatsanwaltschaft ermächtigt, diese Maßnahmen selbst vorzunehmen oder die Polizei dazu zu beauftragen, erhält die Polizei in § 163 eine eigenständige Befugnis für den ersten Zugriff. Die Generalklausel ist also erheblich mehr als eine bloße Datenerhebungsregel (insbesondere wenn man den § 161 Abs. 2 betrachtet, auf den unten weiter einzugehen ist). Der „rechtsstaatliche Skandal“ der neuen Regelung liegt, so Albrecht, „in der generellen Nutzbarkeit von Beweismitteln, die im Rahmen der präventiv-polizeilichen operativen Tätigkeit gewonnen wurden, für das Strafverfahren.“
§ 481 Abs. 1 erlaubt umgekehrt, Daten, die im Ermittlungsverfahren erhoben wurden, zu polizeilichen Zwecken weiter zu nutzen. Welche Zwecke das sind, bestimmt nicht die Strafprozessordnung, sondern das Polizeirecht der Länder bzw. das BKA-Gesetz. Die Dateienregelung der §§ 483-491 enthält neben der üblichen datenschutzrechtlichen Poesie eine weitere Umwidmungsklausel: Daten aus einem Strafverfahren dürfen auch für künftige Strafverfahren genutzt werden. Bei alledem ist klar, dass nicht die Staatsanwaltschaft als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ diese Datensysteme betreibt, sondern die Polizei.
Den Staatsanwaltschaften hatte man im Verbrechensbekämpfungsgesetz 1994 den Aufbau eines zusätzlichen eigenen Verfahrensregisters zugestanden (§§ 492-495).[10] Dieses nahm 1999 den Betrieb auf. Das Register soll den Staatsanwaltschaften durch den automatischen Zugriff umständliche Anfragen ersparen, ob in einem anderen Landgerichtsbezirk gegen dieselbe Person ein Ermittlungsverfahren geführt wird. Die ursprünglich geplante Einschränkung auf überregional relevante und erhebliche Straftaten wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens fallen gelassen. Sie erschien „unpraktikabel“.[11] Auskunftsberechtigt sind neben den Strafverfolgungsbehörden einschließlich der Polizei auch die Geheimdienste. Ob die Staatsanwaltschaft auf diese Weise die Lufthoheit über die Daten des Ermittlungsverfahrens zurückgewinnt, dürfte sehr zu bezweifeln sein.
… und die speziellen Methoden
Dass die Herren und wenigen Damen GesetzgeberInnen bei der Erfüllung des verfassungsgerichtlichen Auftrags sehr planlos, dabei aber mit dem Schaum der „effizienten Verbrechensbekämpfung“ vor dem parlamentarischen Maul zu Werke gingen, zeigt nicht nur die späte und ausufernde Dateienregelung des StVÄG 1999. Auch die Reihenfolge, in der spezielle Formen der Datenerhebung und -verarbeitung in die StPO eingefügt wurden, ist konfus: So wurde ebenfalls erst mit dem StVÄG 1999 die „normale“ Ausschreibung in der Fahndungsdatei – zur Festnahme (bereits vor Erlass eines Haftbefehls) und zur Aufenthaltsermittlung – geregelt (§§ 131-131c). Spezielle Maßnahmen, die nur mithilfe der Fahndungsdatei möglich sind, waren dagegen bereits viel früher über die parlamentarische Bühne gegangen:
Die „Schleppnetzfahndung“ (§ 163d), d. h. die Erfassung und Speicherung der an einer Kontrollstelle nach § 111 oder bei der Grenzkontrolle angetroffenen Personen in einer Datei und ihr nachfolgender Abgleich u. a. mit Fahndungsdaten, verabschiedete der Bundestag bereits im Februar 1986 zusammen mit dem Gesetz über den (maschinenlesbaren) Personalausweis und dem Passgesetz.[12]
Die polizeiliche Beobachtung (§ 163e) folgte 1992 mit dem „Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Formen der Organisierten Kriminalität“ (OrgKG).[13] Personen, die in der Fahndungsdatei zur Beobachtung ausgeschrieben sind, sollen diskret kontrolliert werden. Die Tatsache und die Umstände der Kontrolle werden der ausschreibenden Stelle mitgeteilt und sollen ein Bewegungsprofil der Betroffenen ergeben. Vergleichbare Regelungen waren ab dem MEPolG 1986 in die Polizeigesetze der Länder und 1990 ins Schengener Durchführungsübereinkommen (Art. 99) aufgenommen worden. Die Schengener und die Regelung der Polizeigesetze beziehen sich auf Personen, die möglicherweise künftig Straftaten von „erheblicher Bedeutung“ begehen könnten. Ein Teil der Landespolizeigesetze erlaubt die Anordnung dieser Maßnahme durch den Behördenleiter der Polizei. Die polizeiliche Beobachtung nach §163d StPO darf sich dagegen nur gegen Beschuldigte richten und muss vom Ermittlungsrichter angeordnet werden.
Ebenfalls mit dem OrgKG gelangte die Rasterfahndung (§§ 98a, 98b) in die Strafprozessordnung. Diese Maßnahme, bei der unweigerlich Unverdächtige betroffen werden, ist dort gebunden an einen Straftatenkatalog und an eine richterliche Anordnung. In den meisten Polizeigesetzen war sie zu diesem Zeitpunkt bereits enthalten, mehrheitlich zur „Abwehr einer unmittelbaren Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person“. Wie dehnbar der Begriff der Unmittelbarkeit ist, hat die Rasterfahndung nach dem 11. September 2001 gezeigt.[14] Es war die erste große Aktion dieser Art seit den frühen 80er Jahren. Bis dahin lagen sowohl die strafprozessualen als auch die präventivpolizeilichen Befugnisse zur Rasterfahndung auf Halde. Erkennbar wird hier auch ein weiteres Kennzeichen der gesamten Verrechtlichungspolitik: Politisch durchgesetzt wurde die Rasterfahndung mit dem Verweis auf die Gefahren der Organisierten Kriminalität, angewendet wurde sie stattdessen zur „Bekämpfung“ des Terrorismus.
Wie kurz die Halbwertszeit gesetzlicher Regelungen sein kann, zeigt sich an den Bestimmungen zur DNA-Analyse. 1997 verabschiedete der Bundestag nach langer Diskussion die §§ 81e und 81f StPO.[15] Diese erlaubten zwar die Erstellung von DNA-Profilen nach einer richterlichen Anordnung, aber nur zum Gebrauch in einem jeweils spezifischen Strafverfahren. Der Aufbau einer DNA-Profil-Datei war auf dieser Grundlage nicht möglich. Ein Jahr und wenige spektakuläre Tötungsdelikte später beschloss der Bundestag den § 81g und erklärte die langen Diskussionen und rechtspolitischen Überlegungen zur Makulatur.[16] Die Speicherung in der DNA-Profil-Datei ist nun zur Vorsorge für die künftige Strafverfolgung möglich. Dass sie nur von einem Richter angeordnet werden darf und auch nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung sowie bei Sexualdelikten, ändert nichts an der Tatsache, dass die Datei des Bundeskriminalamts ständig wächst. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Erhebung von DNA-Profilen zum Bestandteil einer normalen ED-Behandlung herabgestuft wird.[17]
Komplex der Verdeckten Ermittlung
Nachdem der Bundesgerichtshof den Einsatz von V-Personen (VP) und Verdeckten Ermittlern (VE) für rechtmäßig erklärt hatte, war es lange Zeit umstritten, ob es für den Komplex der geheimen Polizeimethoden überhaupt einer gesetzlichen Grundlage bedürfe.[18] Es waren zunächst die Innenminister, die nach dem Volkszählungsurteil hierfür die Initiative ergriffen und die verdeckten Ermittlungsmethoden als „besondere Formen der Datenerhebung“ in den MEPolG einfügten. Zu diesen gehörten der Einsatz von VE und VP, die längerfristige Observation sowie der verdeckte Einsatz technischer Mittel. Letzterer ist in den meisten Polizeigesetzen zumindest dann auch in Wohnungen vorgesehen, wenn es angeblich um die Sicherung eines VE (und damit um die Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person) geht. Abgesehen von dieser „bemannten Wanze“ sollen die „besonderen“ Methoden der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dienen. Je nach Gusto bedienen sich die Länder eines meist reichlich breiten Deliktkatalogs, dem Verweis auf besondere „organisierte“ Begehungsweisen oder der simplen Formulierung der „Straftaten von erheblicher Bedeutung“.
Die Verankerung in der StPO erfolgte hier wiederum häppchenweise. Durch das OrgKG eingeführt wurde der VE-Einsatz (§§ 110a-110e). Den Einsatz bestimmt die Polizei, der Staatsanwalt muss zustimmen. Wenn sich der Einsatz gegen einen bekannten Beschuldigten richtet, muss er auch vom Richter bestätigt werden. Ebenfalls mit dem OrgKG legalisiert wurde der Einsatz technischer Mittel, der kleine Lauschangriff (§ 100c Abs. 1 Nr. 1 und 2) – anzuordnen durch den Richter oder bei Gefahr im Verzug durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei.
Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“ 1998 folgte der Große Lauschangriff (§ 100c Abs. 1 Nr. 3), das Abhören von oder in Wohnungen.[19] Die Anordnung muss hier durch die Staatsschutzkammer des Landgerichts erfolgen.
Das StVÄG 1999 erlaubte in § 163 Abs. 2 die Verwendung von Daten, die durch den präventiv-polizeilichen Einsatz einer „bemannten Wanze“ in oder aus einer Wohnung gewonnen wurden, auch im Strafverfahren. Was angeblich zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr registriert wurde, mauserte sich so flugs in ein strafprozessuales Beweismittel. Mit der längerfristigen Observation (§ 163f) – ebenfalls eingefügt durch das StVÄG 1999 –, die durch den Staatsanwalt, bei Gefahr im Verzug durch die Polizei, anzuordnen ist, schloss sich zumindest vorläufig der Reigen.
Den VP-Einsatz dagegen wollen die GesetzesmacherInnen ohne spezielle gesetzliche Grundlage belassen, weil sie die Tätigkeit gewöhnlicher Polizeispitzel merkwürdigerweise für einen Eingriff mit geringer Intensität halten.[20]
Überwachung der Telekommunikation
Als der § 100a – Überwachung der Telekommunikation (TKÜ) – 1968 im Zuge der Notstandsgesetze in die StPO eingefügt wurde, beinhaltete er einen kleinen Katalog von Anlassstraftaten, der sich im Wesentlichen auf die Staatsschutzdelikte beschränkte.
Die im Vergleich zu den anderen operativen Methoden antiquierte Form der Verrechtlichung durch einen abgeschlossenen Katalog erscheint heute geradezu peinlich. Wird an ihr doch sichtbar, dass die GesetzesschreiberInnen den jeweils neuesten kriminalpolitischen Moden aufsitzen. Die Ausdehnung des materiellen Strafrechts um weitere Straftatbestände, die die VerfasserInnen jeweils als besonders gefährlich einstufen, hat deshalb regelmäßig eine Ergänzung des Straftatenkatalogs zur Folge. Nicht umsonst ist der § 100a seit 1990 14-mal verändert worden.[21]
Die ständig steigenden Zahlen der überwachten Anschlüsse und der Verfahren, in denen dies geschieht, haben die TKÜ zur Standardmaßnahme unter den schweren Geschützen der Ermittlung werden lassen. Dies dürfte umso mehr für den Umgang mit Verbindungsdaten gelten, die nach Vorstellungen des Rates der EU-Innen- und Justizminister gleich für mehrere Jahre zum Zugriff für die Strafverfolgungsbehörden bereitgehalten werden sollen.[22]
Seit ihrem Amtsantritt 1998 verspricht die rot-grüne Regierungskoalition eine gesetzliche Einschränkung der TKÜ, die sie allerdings bisher schuldig geblieben ist. Angesichts des Eifers der Landesgesetzgeber, die TKÜ auch für die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten zuzulassen, ist eher eine weitere Ausdehnung der Überwachungen zu befürchten.
Geheimdienste als stille Teilhaber
Bei der Überwachung der Telekommunikation können die Geheimdienste mit dem G 10-Gesetz auf eigene Befugnisse zurückgreifen. Es lässt bekanntlich sowohl die einzelne „Beschränkung“ des Post- und Fernmeldegeheimnisses als auch die strategische Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) zu.
Seit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz von 1994 wurde die geheimdienstliche Überwachung über den eigentlichen politischen Bereich hinaus ausgedehnt. Der BND soll den Strafverfolgungsbehörden Erkenntnisse aus seiner „strategischen“ Überwachung mitteilen, sofern sie sich auf bestimmte Deliktsbereiche beziehen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht 1999 bestimmte Aspekte der 1994 eingeführten Regelung für verfassungswidrig erklärt hatte, lieferten Bundesregierung und Parlament im Jahre 2001 nicht nur die geforderten datenschutzrechtlichen Bestimmungen nach, sondern nutzten die Gelegenheit gleich für eine weitere Ausdehnung der Überwachungstätigkeit des BND: Der Auslandsgeheimdienst darf seitdem nicht nur die Satelliten gestützte Telekommunikation mit dem Ausland überwachen, sondern auch die leitungsgebundene. Im Dezember desselben Jahres erhielten die Geheimdienste mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz ferner die Befugnis zu Auskunftsersuchen über Verbindungsdaten bei den Providern.[23]
Die TKÜ ist aber längst nicht der einzige Berührungspunkt von Geheimdiensten und Strafverfolgung. Schon die 1990 beschlossenen Geheimdienstgesetze schrieben umfassende Informationsbeziehungen zwischen den Diensten auf der einen und Polizei und Staatsanwaltschaften auf der anderen Seite fest, die spiegelbildlich auch in § 474 StPO verankert wurden. Bayern, Hessen, Thüringen, Sachsen und das Saarland haben zusätzlich ihre Landesämter für Verfassungsschutz mit der „Beobachtung“ der Organisierten Kriminalität beauftragt.[24]
Ein weites (Vor-)Feld
Wer wäre nach dieser Übersicht noch in der Lage, zwischen „nachrichtendienstlichen Mitteln“ der Geheimdienste, „besonderen Formen der Datenerhebung“ im präventiv-polizeilichen Bereich und speziellen Befugnissen der Strafverfolgungsbehörden im Ermittlungsverfahren zu unterscheiden? Der Verrechtlichungsprozess der vergangenen Jahrzehnte hat das Strafverfahrensrecht in der Tat zu einem von mehreren Bestandteilen eines allgemeinen Sicherheitsrechts werden lassen. Es spielt (fast) keine Rolle, ob Daten ursprünglich für ein Strafverfahren erhoben wurden. Sie können nicht nur für andere zukünftige Strafverfahren, sondern auch für präventiv-polizeiliche Zwecke weiter genutzt (oder gar an die Geheimdienste weiter gereicht) werden – und umgekehrt. Das Zweckbindungsgebot, welches das Bundesverfassungsgericht 1983 aufstellte, hat den Gesetzgeber offensichtlich nur dazu veranlasst, die Durchbrechung dieses Gebots gesetzlich zu normieren.
Auch hinsichtlich der verschiedensten „operativen“ Methoden erscheinen Strafverfahrens- und Polizeirecht weitgehend austauschbar: Dass etwa eine Person gemäß § 163f StPO nur zur Beobachtung ausgeschrieben werden darf, wenn sie einer Straftat beschuldigt wird, kann kaum beruhigen, wenn dieselbe Maßnahme aufgrund eines Polizeigesetzes zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung auch ohne Verdacht möglich ist.
Die begrenzende Wirkung, die sowohl dem konkreten Verdacht im Strafprozessrecht als auch der konkreten Gefahr im Polizeirecht innewohnte, ist verloren gegangen. Der Gesetzgeber hat ein weites Vorfeld installiert, das von der Vorsorge für die künftige Strafverfolgung über die Gefahrenvorsorge bis hin zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung (und zum definitionsgemäßen Fehlen jeglichen Verdachts im Geheimdienstrecht) reicht. Damit wurden auch wesentliche Kriterien des klassisch-liberalen Strafprozess- und Polizeirechts über Bord geworfen. Die Entscheidung, ob und wie tief in die Rechte einer Person eingegriffen werden darf, bestimmt sich nicht mehr aufgrund der Qualität des Verdachts oder der Gefahr und damit dem bereits erfolgten oder absehbar bevorstehenden Verhalten der betroffenen Person, sondern aufgrund einer polizeilichen Prognose. Wo Verdacht oder Gefahr als Bezugsgröße verloren gehen, büßt auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip seinen Sinn ein und wird auf die Formel reduziert, dass nicht mit Kanonen auf Spatzen zu schießen sei.
Die neuen Eingriffsvoraussetzungen sind denn auch notwendigerweise unscharf: Ellenlange Straftatenkataloge oder der kurze Verweis auf Straftaten von erheblicher Bedeutung können nicht die Tatsache verdecken, dass polizeiliche Zweck- und Machbarkeitskriterien den Ausschlag geben, auch wenn die Staatsanwaltschaft oder der Richter eine Maßnahme anordnen muss. Die jüngste Studie von Otto Backes und Christoph Gusy hat am Beispiel der Telefonüberwachung bestätigt, dass die Ermittlungsrichter in ihren Anordnungen vielfach nur die polizeilichen Vorgaben reproduzieren und zu einer wirklichen Kontrolle gar nicht in der Lage sind.[25]
Wer herrscht im Ermittlungsverfahren?
Das Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 brachte die sprachliche Emanzipation der Polizei vom „Hilfsbeamten“ der Staatsanwaltschaft zur „Ermittlungsperson“.[26] Die alte Formulierung wurde quer durch die gesamte StPO ersetzt. Was zunächst als ein Akt der Höflichkeit erscheint, ist nichts anderes als die Anerkennung der Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft nur noch auf dem Papier „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ ist.
Die Polizei verfügt über die Datensammlungen, die Ermittlungsinstrumente und die spezialisierten Dienststellen. Angesichts ihres sowohl rechtlichen als auch apparativen Machtzuwachses bleiben der Staatsanwaltschaft faktisch zwei Optionen: Die eine ist der Rückzug auf die Funktion einer Anklagebehörde, die im Anschluss an die polizeilichen Ermittlungen deren Ergebnisse aufnimmt und im Hauptverfahren vertritt. Die andere Option, die vor allem für die spezialisierten Staatsanwaltschaften in Frage kommt, ist die Einbindung in die polizeilichen Ermittlungen und die weitgehende Übernahme polizeilicher Sichtweisen. Am Beispiel der Staatsanwaltschaften für organisierte Kriminalität kommt Pütter zu folgendem Urteil: „Bleibt eine Staatsanwaltschaft entgegen den normativen Vorgaben in ihrer primär reaktiven Position, dann kann sie bereits von der Sache her die polizeilichen Ermittlungstätigkeiten nicht habhaft kontrollieren. In dem Maße jedoch, wie sie aktiv die Ermittlungen zu ihren eigenen macht, gehen ihr Ambitionen und Kriterien der Kontrolle verloren.“[27]
Der rechtliche und tatsächliche Machtzuwachs der Polizei im Ermittlungsverfahren geht auch am Hauptverfahren nicht spurlos vorüber. Wenn Effizienz der Strafverfolgung und Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege zu zentralen Werten erklärt werden, kommen die Rechte der Verteidigung und des Angeklagten auf einen fairen Prozess unter Druck. Vergleicht man das Strafverfahren insgesamt und die Hauptverhandlung insbesondere als ein Theater, in dem die Prozessbeteiligten ihre Rolle zu spielen haben, dann muss mehr und mehr festgestellt werden, dass die Polizei in starkem Maße am Drehbuch mitschreibt; etwa indem sie Herkunft und Zustandekommen von Beweismitteln vertuscht oder indem sie Verdeckte Ermittler nur verkleidet und mit verstellter Stimme aussagen oder an ihrer Stelle die Führungsperson vernehmen lässt.
Kein Ende absehbar
Die Hoffnung, dass die Verrechtlichungswelle demnächst einmal ans Ende kommen würde, ist vermutlich verfehlt. Zum ersten, weil weiterhin „Lücken“ offen sind, die mit einer gesetzlichen Regelung gestopft werden müssen. So ist etwa der Einsatz von V-Leuten im Strafprozess noch immer ungeregelt. Zwar macht eine „rechtsstaatlich saubere“ Lösung aus einem Spitzel noch keine vertrauenswürdige Person. „In jedem Falle“, so mokierte sich Wolfgang Hetzer, seinerzeit noch als Ministerialrat in Schröders Kanzleramt, „ist der Gesetzesvorbehalt für alle Grundrechtseingriffe zu beachten.“[28] Der Gesetzgebungsprozess seit dem Volkszählungsurteil ist so unsystematisch und konfus verlaufen, dass selbst die Bundesregierung anlässlich der Debatte über die Telefonüberwachung das Bedürfnis nach einem „harmonischen Gesamtsystem“ der verdeckten Ermittlungsmethoden verspürt. Über die bloße Ordnung des Chaos dürfte sich jedoch kein verbesserter Grundrechtsschutz ergeben. Nach dem Verfassungsgerichtsurteil zum Großen Lauschangriff hat das Bundesjustizministerium bereits – vorerst vergeblich – versucht, die Verfassungswidrigkeit der bestehenden Regelung durch deren Verschlimmböserung zu heilen.[29]
Zweitens ist kein Ende der Versuche abzusehen, politische und soziale Probleme zu solchen des Strafrechts umzudefinieren und anschließend die „effektive Bekämpfung“ der neuen Kriminalität zu fordern. Die Rundum-Kriminalisierung der an der Produktion, am Handel und schließlich am Konsum von „Betäubungsmitteln“ Beteiligten hat das „Drogenproblem“ nicht gelöst. Das Verbot der Einschleusung von AusländerInnen verhindert nicht, dass Menschen in die BRD einwandern oder hierhin fliehen. Und auch der Kapitalismus ist nicht menschenfreundlicher geworden, seitdem die Geldwäsche unter Strafe steht. Solange Politik und Öffentlichkeit an die segensreichen Wirkungen eines lückenlosen Strafrechts glauben, müssen wir damit rechnen, dass bei der Erfindung der nächsten kriminellen Bedrohung auch das scheinbar nötige Ermittlungsinstrumentarium gesetzlich nachgereicht wird.
Der durch das Volkszählungsurteil beschleunigte Verrechtlichungsprozess hat nicht nur den vorausgegangen Wandel der polizeilichen Organisation, Strategie und Technik nachvollzogen. Der Gesetzgeber hat auch technische Errungenschaften abgesegnet, die wie die DNA-Analyse zum Zeitpunkt des Urteils noch nicht absehbar waren, und den „Sicherheitsbehörden“ den Raum dafür geschaffen, ihre neuen Instrumente auf rechtlich sicherem Boden weiterzuentwickeln. Dabei ist ersichtlich, dass die Parlamente weder willens noch in der Lage sind, Normen zu schaffen, die die polizeiliche Handlungslogik begrenzen. Ebenso deutlich ist, dass angesichts der gewandelten polizeilichen Methoden die Kontrollen von Staatsanwaltschaften und Gerichten faktisch ins Leere laufen. „Rechtsstaatlich“ gesehen ist damit alles in Ordnung, die Rechte der BürgerInnen und vor allem ihre Rechte als Beschuldigte bleiben dabei auf der Strecke.
Heiner Busch ist Redakteur von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.
[1] Meyer-Goßner, L.: Strafprozessordnung, 47. Aufl., München 2004, S. XXXIII-LI
[2] Welp, J.: Kriminalpolitik in der Krise, in: Strafverteidiger 1994, H. 3, S. 161-166 (161)
[3] Neue Juristische Wochenschrift 1984, H. 8, S. 419-428
[4] dokumentiert in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 24 (2/1986), S. 74-86; siehe auch den dortigen Kommentar von Weßlau, E.: Die rechtsstaatlichen Tugenden der SPD, ebd., S. 61-74
[5] siehe jeweils Dokumentation und Stellungnahme in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 29 (1/1988), S. 68-106; 32 (1/1989), 108-120; 34 (3/1989), S. 79-82
[6] Weßlau a.a.O. (Fn. 4), S. 63; Ehrhardt, J.; Kunze, K.: Musterentwurf des Polizeirechtsstaats, Berlin 1979
[7] Weßlau a.a.O. (Fn. 4), S. 63 f.
[8] Bundesgesetzblatt (BGBl) I v. 11.8.2000, S. 1253
[9] Albrecht, P.-A.: Vom Unheil der Reformbemühungen im Strafverfahren, in: Strafverteidiger 2001, H. 7, S. 416-420 (419); siehe auch Hefendehl, R.: Die neue Ermittlungsgeneralklausel, in: Strafverteidiger 2001, H. 12, S. 700-706
[10] BGBl I v. 4.11.1994, S. 3186
[11] Meyer-Goßner a.a.O. (Fn. 1), § 492 Rn. 4
[12] BGBl I v. 19.4.1986, S. 537
[13] BGBl I v. 22.7.1992, S. 1302
[14] Busch, H.: Datenschutz, Sicherheitsgesetze, Rasterfahndung, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 70 (3/2001), S. 28-34; ders.: Rasterfahndung – eine Halbjahresbilanz, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 71 (1/2002), S. 69-75; siehe ferner die Dokumente unter www.cilip.de/terror
[15] BGBl I v. 21.3.1997, S. 534
[16] DNA-Identitätsfeststellungsgesetz, BGBl I v. 10.9.1998, S. 2646
[17] vgl. Nogala, D.: DNA-Identifizierung, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 76 (3/2003), S. 28-35
[18] Bundesgerichtshof, in: Strafverteidiger 1983, H. 8, S. 490-495
[19] BGBl I v. 8.5.1998, S. 845
[20] Albrecht a.a.O. (Fn. 9), S. 419; detailliert siehe Pütter, N.; Diederichs, O.: V-Personen, Verdeckte Ermittler, NoePs, qualifizierte Scheinaufkäufer und andere, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 49 (3/1994), S. 24-37 (35 f.)
[21] Meyer-Goßner a.a.O. (Fn. 1), S. XLVI; siehe auch Zimmermann, G.: Staatliches Abhören (Bielefelder Rechtsstudien, Bd. 11), Frankfurt/M. u.a. 2000
[22] Zu den bestehenden deutschen Regelungen auf diesem Gebiet siehe den Beitrag von Björn Gercke in diesem Heft.
[23] BGBl I v. 11.1.2002, S. 361; siehe Päffgen, H.-U.: „Vernachrichtendienstlichung“ von Strafprozess- und Polizeirecht im Jahre 2001, in: Strafverteidiger 2002, H. 6, S. 336-341
[24] Roggan, F.: Mit Schlapphüten gegen die Mafia?, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 78 (2/2004), S. 35-39
[25] Backes, O.; Gusy, C.: Wer kontrolliert die Telefonüberwachung?, Frankfurt/M. u. a. 2003
[26] BGBl I v. 30.8.2004, S. 2198
[27] Pütter, N.: Der OK-Komplex, Münster 1998, S. 227-272 (272)
[28] Hetzer, W.: Generalklausel und V-Person, in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 2001, H. 1, S. 94-127 (115)
[29] Süddeutsche Zeitung v. 10.9.2004
Bibliographische Angaben: Busch, Heiner: Verpolizeilichung des Strafverfahrens. Eine Gesetzgebungsbilanz, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 79 (3/2004), S. 6-21