von Heiner Busch
Wenn es nur will, schafft es das Parlament, in Gesetzen geschlechtsneutrale Begriffe zu verwenden und damit zumindest auf dem Papier deutlich zu machen, dass das Volk zur Hälfte weiblich ist. Diese Leistung ist dem (zu überwiegenden Anteilen männlichen) Gesetzgeber jüngst im Justizmodernisierungsgesetz gelungen: Dieses Gesetz befördert die PolizistInnen im Strafprozessrecht von „Hilfsbeamten“ der Staatsanwaltschaft zu veritablen „Ermittlungspersonen“. Das ist die sprachliche Emanzipation.
Für die reale Emanzipation der vormaligen HilfsbeamtInnen von der angeblichen „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ haben die GesetzesmacherInnen – unabhängig von der parteipolitischen Couleur der jeweiligen Mehrheit – in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gesorgt, indem sie ihnen ständig neue Befugnisse zuschanzten. Machtlos war die Polizei nie. Sie verfügte immer über mehr Informationen als die Staatsanwaltschaft, sie machte (und macht) die ersten Vernehmungen, ihre Hypothesen über den Tathergang und die Täterschaft geben dem Ermittlungsverfahren eine Richtung und sind später nur schwer zu korrigieren.
Die neuen technischen und geheimen Ermittlungsmethoden haben diese Macht erweitert. Ihre Anwendung mag zwar an eine Zustimmung oder Anordnung durch die Staatsanwaltschaft oder die ErmittlungsrichterIn gebunden sein, faktisch liegt das Instrumentarium völlig in der Hand der Polizei. Der Gesetzgebungsprozess, der diese neuen Methoden absicherte, konnte kaum konfuser verlaufen. Ständig wurden neue Gefahren beschworen, für deren „Bekämpfung“ es eines immer effizienteren Ermittlungsverfahrens bedürfe.
Das Ergebnis sind zum einen elend lange neue Paragrafen, kaum mehr überblickbare Kataloge von Anlassstraftaten und unbestimmte Rechtsbegriffe, die alle nur das eine sagen: Bestimme du, liebe Polizei, anhand deiner Prognosen und deiner Ressourcen, ob du Telefone abhören, Wanzen setzen oder Spitzel aussenden möchtest!
Zum anderen hat der Gesetzgebungsprozess der letzten Jahrzehnte dafür gesorgt, dass zusammenwuchs, was nicht zusammengehört. Polizei- und Strafprozessrecht – und zum Teil auch das Recht der Geheimdienste – haben sich zu einer Art kommunizierender Röhren entwickelt, in denen sich der Wasserstand der Befugnisse fast automatisch angleicht und dafür sorgt, dass den Rechten der Beschuldigten der Atem ausgeht.
Das effizient zu Bekämpfende – vom Drogenhandel und der „organisierten Kriminalität“ über die „illegale Zuwanderung“ bis hin zum Cyber- und zum realen Terrorismus – ist mit der ausgedehnten Kriminalisierung und der daran anknüpfenden polizeilichen Aufrüstung nicht aus der Welt verschwunden.
Das vorliegende Heft befasst sich im Schwerpunkt-Teil jedoch nicht nur mit dem Gesetzgebungsprozess, sondern versucht an praktischen Beispielen auch die Realität des „neuen Strafprozesses“ nachzuzeichnen.
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Im ersten Heft des neuen Jahrgangs wird Bürgerrechte & Polizei/CILIP zum Teil an der vorliegenden Ausgabe anknüpfen müssen. Gegenstand des Schwerpunktes wird dann die „Terrorismusbekämpfung“ im vierten Jahr nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 sein.