Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht hat den Strafverfolgungsbehörden wieder einmal ein gutes Zeugnis ausgestellt – dieses Mal, was ihre Praxis mit großen Lauschangriffen angeht.[1] Dafür untersuchte Autor Hannes Meyer-Wieck die Gesamtheit aller seit Schaffung der Befugnis (§ 100 c Abs. 1 Nr. 3 StPO) im Jahre 1998 beantragten Wohnraumüberwachungsmaßnahmen – insgesamt 116 Fälle. Lauschangriffe finden demnach vor allem in Mord-/Totschlagsverfahren und bei schwerer Betäubungsmittel-Kriminalität Anwendung (zusammen 87 % der Anwendungsfälle). Der Einsatz der Maßnahme bei anderen Katalogtaten sei stark einzelfallabhängig, oftmals – so seine Feststellung – habe dort sogar das Einverständnis des Wohnungsinhabers als Verbrechensopfer vorgelegen. Der Einsatz der Maßnahme erfolge – im Gegensatz zur Telefonüberwachung – tatsächlich subsidiär (Wahrung der Ultima-Ratio-Funktion). Vor dem rechtlichen Subsidiaritätskriterium limitiere allerdings bereits eine „faktische Subsidiarität“ den Einsatz der Maßnahme. Gemeint sind damit insbesondere die Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung der Lauschangriffe. In 13 % der Fälle wurden beantragte Maßnahmen nicht von der zuständigen Staatsschutzkammer des Landgerichts erlaubt. Rund 30 % der angeordneten Maßnahmen (vorwiegend im BtM-Bereich) werden von Meyer-Wieck als
erfolgreich eingestuft. Ingesamt bescheinigt der Autor den Rechtsanwendern ein behutsames Gebrauchmachen von dem Mittel des großen Lauschangriffs. Also: Alles halb so schlimm?
Die Untersuchung des MPI leidet unter einem gravierenden Mangel. Zwar findet die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des großen Lauschangriffs am Rande Erwähnung.[2] Eine Überprüfung der durchgeführten Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundsätzen aus dieser Entscheidung fand aber nicht statt. Damit ist beispielsweise völlig offen, wie viele Lauschangriffe bei Beachtung dieser Maßgaben aus (differenzierten) Gründen hätten unterbleiben müssen. Auch lässt sich die Erfolgs-Quote von 30 % kaum aufrechterhalten, solange sich nicht feststellen lässt, in welchen Fällen ein Beweisverwertungsverbot eingegriffen hätte und die einen Verdächtigen überführenden Informationen folglich im Urteil nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. Die Untersuchung zeigt zudem deutlich, dass der „Große Lauschangriff“ – anders als vom Gesetzgeber beabsichtigt – eher in anderen als OK-Verfahren eingesetzt wird. Und dass technische
Umsetzungsprobleme zurzeit faktisch Grundrechte schützend wirken, kann nun wirklich nicht dem „verantwortungsvollen Umgang“ der
Ermittler zugeschrieben werden. Unabhängig davon handelt es sich bei der Untersuchung aber sicher um ein Gutachten, das der Justizministerin – jedenfalls solange sie an dem Instrument festhält – gefällt.
(Fredrik Roggan)