Die Berliner Ombudsstelle nach dem Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) sprach am 15. September eine formelle Beanstandung gegen die Berliner Polizei aus. Sie sieht das Land Berlin in der Verantwortung für den Tod von Kupa Ilunga Medard Mutombo, der am 6. Oktober 2022 in Folge eines Polizeieinsatzes verstarb.[1] Die formelle Beanstandung ist das schärfste Instrument der Ombudsstelle.
Rassistische Nachrichten, sexistische „Witze“, homophobe und antisemitische Äußerungen, Verherrlichung des Ku-Klux-Klans und des Nationalsozialismus – SS-Runen inklusive – gehören zum Selbstbild von Mitgliedern der Polizei in Lausanne, der viertgrößten Stadt der Schweiz. Das geht aus zwei Chat-Gruppen hervor, in denen sich 48 Polizist*innen über Jahre hinweg mehr als 10.000 Memes und Nachrichten zuschickten.[1] Das gesamte kantonale Polizeikorps umfasst 500 Beamt*innen. Von den 48 Kolleg*innen sind bis auf acht Beamte (Stand: 16. September 2025) alle weiterhin im Dienst, wenn auch in anderen waadtländischen Polizeidienststellen.[2]
Seit 12. Oktober führen die EU-Mitgliedstaaten schrittweise das neue Ein- und Ausreisesystem (EES) an ihren Außengrenzen ein.[1] Es dient der elektronischen Erfassung und Überprüfung der
Aufenthaltsdauer von Personen aus Drittstaaten, die für einen Kurzaufenthalt in die EU reisen. Drittstaatsangehörige dürfen sich weiterhin bis zu 90 Tage innerhalb von 180 Tagen im Schengen-Raum aufhalten; verbleibende Resttage lassen sich über einen „Schengen-Rechner“ prüfen. Neu ist: Bei der ersten Einreise werden vier Fingerabdrücke, ein Gesichtsbild sowie Pass- und Reisedaten erfasst und drei Jahre gespeichert.
Am 10. Juli 2025, so das hessische Innenministerium, hat die Frankfurter Polizei im Bahnhofsviertel mit der „biometrischen Echtzeit-Fernidentifizierung“ – besser bekannt als automatisierte Gesichtserkennung – begonnen.[1] Seitdem wird die Technologie zur „gezielten Suche“ nach vermissten Personen, Opfern schwerer Straftaten und sog. terroristischen „Gefährdern“ eingesetzt. Möglich wurde dies durch eine Änderung des Hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (HSOG) im Dezember 2024, bei der – erst nach einer Sachverständigenanhörung zur HSOG-Novelle – ohne großes Aufsehen auch umfangreiche Ergänzungen des § 14 HSOG vorgenommen wurden, der die polizeiliche Videoüberwachung regelt.
Veranstaltung zu Gegenuntersuchungen von staatlicher Gewalt
In den letzten Jahren haben nicht nur die polizeilichen Tötungen von Menschen in Teilen Europas zugenommen, sondern auch die Kämpfe dagegen. Dazu werden auch Unabhängige Kommissionen gegründet, um die Aufklärung der Todesfälle selbst in die Hand zu nehmen . Unter anderem rekonstruieren forensische Analysen, was wirklich passiert ist. Zusammen mit anderen wissenschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Untersuchungen unterlaufen sie die staatlichen Narrative der „Notwehr“ oder „Selbstverteidigung“, rekonstruieren Fakten und liefern damit auch Beweise für Gerichtsverfahren. Diese Erkenntnisse stellen zudem wesentliche Beiträge in der Wahrheitsfindung für Familienangehörige sowie die kritische Öffentlichkeit dar.
Samstag, 11. Oktober, 19:00 Uhr
Aquarium, Skalitzer Straße 6, Berlin
U8 Kottbusser Tor
Zwei Fälle, zu denen Angehörige und Solidaritätsgruppen weiter für Gerechtigkeit kämpfen, sind Sammy Baker aus Wetzlar und Roger (Nzoy) Wilhelm aus Zürich. Sie wurden 2020 in Amsterdam und 2021 in Morges (Kanton Waadt) von der Polizei erschossen. Auf der Veranstaltung wollen wir die Möglichkeiten und Grenzen dieser Aufklärung von Unten diskutieren und ausloten, wie wir uns dazu vernetzen können. Mit:
Justine Seewald-Krieger (Mutter von Sammy Baker) Robert Trafford (Stellvertretender Direktor Forensic Architecture London und Forensis Berlin) Evelyn Wilhelm (Schwester von Nzoy, Unabhängige Kommission zur Aufklärung der Wahrheit über den Tod von Roger Nzoy Wilhelm) Claudia Wilopo (Unabhängige Kommission zur Aufklärung der Wahrheit über den Tod von Roger Nzoy Wilhelm)
Moderation: Vanessa E. Thompson, Matthias Monroy
Kompletter Audiomitschnitt:
Veranstaltet von Bürgerrechte & Polizei | Cilip, Forschungsprojekt Abolition Worlds
Unterstützt von Rote Hilfe Berlin, Justice Collective, Kampagne für die Opfer rassistischer Polizeigewalt, Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.
Sicherheits- und Verteidigungsfragen gehören zu den Prioritäten der Europäischen Union für 2024-2029. Zu den Profiteuren des verstärkten Sicherheitsfokus gehören die Agenturen im Bereich Justiz und Inneres, insbesondere Europol, die EU-Agentur für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung. Ihr Mandat soll umfassend überarbeitet werden, damit sie eine „wirklich einsatzfähige Polizeiagentur“ wird.
In ihrem Missionsschreiben an Magnus Brunner, den Kommissar für das Ressort Inneres, kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an, sie wolle Europol zu einer „wirklich einsatzfähigen Polizeiagentur“ machen und deren Personal mehr als verdoppeln.[1] Dies erfordere eine umfassende Überarbeitung der existierenden Rechtsgrundlage für die Tätigkeit Europols aus dem Jahr 2016. Laut der kürzlich verabschiedeten EU-Strategie für die innere Sicherheit, „ProtectEU“, soll der Legislativvorschlag für eine Mandatsreform 2026 veröffentlicht werden.[2]Wer möchte eine europäische Polizei? Die entfesselte Expansion von Europol weiterlesen →
„Rechts“ zu sein in Europa (u. a.) ist derzeit weiter schick, das zeigten – leider und nicht zuletzt – die Wahlen zum EU-Parlament. Dass das der Rechten nicht reicht, sondern sie an die Macht will, belegen alle Studien. „Kriegstüchtig“ zu sein in Europa (u. a.) ist wieder schick, das zeigen derzeit alle Rüstungshaushalte weltweit. Beides – „rechts“ und „kriegstüchtig“ aufgestellt zu sein – solle geflissentlich robust, resilient und reziprok geschehen; selbstredend auf hohem technischen Niveau. Wie das in Teilen der Literatur diskutiert wird, können wir hier nur andeuten.
Polizeien in Deutschland erforschen zunehmend Algorithmen zur „Prognose“ und „Prävention“ von Straftaten. Viele Systeme werden ohne ausreichende Rechtsgrundlage, Transparenz und Risikoabschätzung entwickelt, getestet oder genutzt – obwohl sie die Diskriminierung marginalisierter Menschen verstärken können. Der Trend verlagert sich dabei von orts- zu personenbezogenen sowie von theoriebasierten zu komplexeren algorithmischen Auswertungen.
Polizeien weltweit haben in den vergangenen Jahren Anwendungen eingeführt, die Verbrechen und andere Gefahren prognostizieren sollen: das sogenannte „Predictive Policing“. Auch in Deutschland wurde der Einsatz „vorausschauender“ orts- sowie personenbezogener Datenanalysen und Algorithmen ausgeweitet. Sie sollen bei der Entscheidungsfindung unterstützen, indem sie Risiken frühzeitig erkennen und es ermöglichen sollen, vorhandene Ressourcen auf Orte oder Personen zu konzentrieren, von denen vermeintlich ein besonders hohes Risiko ausgeht. Dies soll dabei helfen, Straftaten und andere Gefahren rechtzeitig durch präventive Maßnahmen zu verhindern.
Thematic Focus: (In)Security and the shift to the right in Europe
EU home affairs policy at the “turning point”: an introduction
by Dirk Burczyk
For decades, the EU’s “internal security” policy has been shaped by changing enemy stereotypes. The most enduring of these is “irregular” migration. Migration is also a key issue for the extreme and conservative right, which is rushing from one election victory to another at national and European level. The current ring-wing shift in all EU institutions — the Commission, Council, and Parliament — coincides with the emergence of “hybrid threat” as the new enemy stereotype and the internal mobilization for an EU/NATO war with Russia. Summaries weiterlesen →
Die Politik der „Inneren Sicherheit“ in der EU ist seit Jahrzehnten von wechselnden Feindbildern geprägt. Die höchste Kontinuität hat dabei die „irreguläre“ Migration. Sie ist zugleich zentrales Politikfeld der extremen und konservativen Rechten, die national und europäisch von Wahlerfolg zu Wahlerfolg eilen. Der aktuelle Rechtsruck in allen Gremien der EU – Kommission, Rat und Parlament – trifft dabei mit dem neuen zentralen Feindbild „hybride Bedrohung“ und der inneren Mobilmachung für einen EU/NATO-Krieg mit Russland zusammen.
Die vergangenen Jahre haben einen klaren parteipolitischen Rechtsruck im Wahlverhalten in den Staaten der Europäischen Union gezeigt. In Italien, Finnland, der Slowakei, Ungarn, Kroatien und Tschechien stellen sie die Regierung oder sind Teil einer Koalition, in Schweden tolerieren sie die Regierungskoalition (Schwedendemokraten). In sieben weiteren Mitgliedsstaaten – Deutschland, Frankreich, Estland, Lettland, Belgien, Österreich und Polen – sind Parteien vom rechten Rand stärkste oder zweitstärkste politische Kraft. In Österreich wäre die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) nach den Wahlen im vergangenen Jahr fast wieder Regierungspartner geworden, in Polen hat die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) lange mitregiert und stellt nun zumindest wieder den mit weitreichenden Vetorechten ausgestatteten Präsidenten, in den Niederlanden hat die Partij voor de Vrijheid (PvV) die Koalition im Mai dieses Jahres verlassen. Somit ist fast in der Hälfte der Mitgliedstaaten eine Regierung unter Einschluss rechtsautoritärer Kräfte entweder bereits Realität oder jedenfalls für die Zukunft nicht ausgeschlossen. Fast besorgniserregender als das Erstarken rechtsautoritärer Kräfte ist der Rechtsruck der konservativen Parteien und jedenfalls vereinzelt die Übernahme offen flüchtlingsfeindlicher Positionen durch die Sozialdemokratie.